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Waffenruhe am Horn von Afrika

Äthiopien und Eritrea unterzeichnen in Algier ein Waffenstillstandsabkommen, das den zweijährigen Krieg beenden soll. UN-Blauhelmsoldaten sollen in die Pufferzone auf eritreischem Gebiet einrücken. Und dann muss die Grenze festgelegt werden

aus Nairobi PETER BÖHM

Äthiopien und Eritrea haben gestern in Algier formell einen Waffenstillstand unterzeichnet. Das Abkommen sieht die Stationierung einer UN-Blauhelmtruppe in einer 25 Kilometer breiten Pufferzone auf eritreischem Gebiet vor und gibt so berechtigte Hoffnung auf ein Ende des zweijährigen Grenzkrieges, der nach Schätzungen mehr als 100.000 Soldaten das Leben gekostet hat.

Obwohl die zivile eritreische Verwaltung nach dem äthiopischen Rückzug in der Pufferzone wieder eingerichtet werden wird, schreibt die Tatsache, dass diese auf eritreischem Gebiet liegt, die militärische Niederlage des Landes fest. „Ein Großteil der eritreischen Armee ist außer Gefecht gesetzt, mehr als eine Million Menschen – fast ein Drittel der Bevölkerung – wurden aus ihren Häusern vertrieben“, sagt Moustafa Hassouna, Experte für das Horn von Afrika, „und ich denke, dass Eritrea deshalb keine Alternative hatte, als die Bedingungen des Abkommens zu akzeptieren.“

Die Stationierung der nach Presseberichten 2.000 Mann starken UN-Blauhelm-Truppe wird nicht vor September oder Oktober erwartet. Innerhalb von vier Wochen dürften jedoch schon (unbewaffnete) UN-Beobachter den Rückzug der äthiopischen Armee überwachen.

„Da von dieser Mission eine Menge für die UNO abhängt, denke ich nicht, dass es schwierig sein wird, die 2.000 Mann zusammenzubekommen.“, sagt Hassouna, der Dozent des Instituts für Außenpolitik an der Universität Nairobi ist. „Die Rolle der UNO in Sierra Leone und in der Demokratischen Republik Kongo wurde stark kritisiert, es geht hier also um ihre Glaubwürdigkeit in Afrika.“ Zwar seien die Kapazitäten der Weltorganisation für friedenserhaltende Maßnahmen durch den Einsatz unter anderem in Ost-Timor, Sierra Leone und Bosnien „stark überlastet“, aber „dass UN-Truppen eine Grenze patroullieren können, haben sie wie im Fall von Ägypten und Israel schon oft gezeigt“. Die UN-Mission stehe und falle jedoch mit der strikten Einhaltung des Waffenstillstandes. „Sollte ein Seite wieder anfangen zu schießen, sind die UN-Soldaten schnell wieder draußen“, ist Hassounas Einschätzung.

Nach Hassounas Informationen wird Malaysia den größten Anteil des Kontingents stellen. Ein anderer Teil soll aus afrikanischen Ländern kommen. Nach einer Meldung der britischen BBC, wonach am Donnerstag eine militärische und diplomatische Delegation aus Italien Eritrea besuchte, wird nun darüber spekuliert, ob auch die ehemalige Kolonialmacht Soldaten für die UN-Truppen anbieten wird.

Ein potentieller Streitpunkt bleibt jedoch: Äthiopien hatte darauf bestanden, seine Truppen erst dann aus Eritrea zurückzuziehen, wenn die UN-Truppe stationiert werde. Äthiopien hält im Augenblick noch eritreisches Territorium besetzt, das zu den fruchtbarsten des Landes zählt. Die dort lebenden Bauern können deshalb ihre Ernte nicht einbringen.

Die Stunde der Wahrheit wird für die Regierungen beider Länder spätestens dann schlagen, wenn eine von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) eingesetzte Kommission über den Grenzverlauf entscheidet, und sie ihren Landsleuten erklären müssen, für wie wenig vorzeigbare Erfolge sie Krieg geführt haben. Nach den Statuten der OAU gilt der Grenzverlauf zur Zeit der Unabhängigkeit der Länder, das heißt in der Regel jener, der von den Kolonialmächten ausgehandelt wurde. Das würde Eritrea bevorteilen, denn es könnte sich dann auf Verträge berufen, die zwischen Italien und Abessinien geschlossen wurden. Die äthiopische Regierung argumentiert allerdings, diese Verträge seien nie umgesetzt worden. Und eine OAU-Komission hat schon festgestellt, dass die umstrittenen Gebiete vor Kriegsbeginn unter äthiopischer Verwaltung standen.

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