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Die FDP auf dem Fun-Faktor-Trip

Die FDP sieht sich als Volkspartei der Informationsgesellschaft. Internet-User und Wähler unter 30 sind die Zielgruppe. 18 Prozent und mehr streben Westerwelle und Möllemann für die Bundestagswahl an. Und Gerhardt lächelt gequält dazu

aus Nürnberg KARIN NINK

„Die FDP ist eine junge Partei, eine Partei der Jungen.“ Seit Jürgen Möllemann bei seinem spektakulären Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen eine ganze Reihe von Stimmen bei Jungwählern ergattern konnte, sehen viele Liberale in der @-Generation ihre Zukunft. „Jung“ ist zum Zauberwort geworden.

Mit den „Internet-Usern“ und den unter 30-Jährigen will Möllemann – selbst erst zarte 55 – das „Projekt 18“ realisieren. Was so viel heißt, als dass er bei der nächsten Bundestagswahl 2002 die FDP zu einer „Volkspartei“ mit mindestens 18 Prozent machen will. „Projekt 18“. „18 Prozent“. „Achtzehn“. Das sind seit dem Parteitag am Wochenende in Nürnberg die neuen Zauberwörter der FDP.

Vor allem Generalsekretär Guido Westerwelle teilt die Einschätzung des NRW-Landeschefs, dass die Liberalen nur hip genug sein müssen, dann fliegen ihnen die Jüngeren schon zu: „Wir haben uns schon im Internet getummelt, da war für die Grünen die Maus ausschließlich noch ein Nagetier“, ruft er siegessicher den Delegierten zu.

Der Nochparteivorsitzende Wolfgang Gerhardt lächelt süß-sauer dazu. Wahrscheinlich sind ihm die Grünen in diesem Bereich ähnlicher als die @-Generation in seiner eigenen Partei. Damit steht Gerhardt sicher nicht allein in der Partei der Mittelständler und Handwerksmeister. Ungeachtet dessen ist Westerwelle aber überzeugt: Die Zukunft der neuen FDP in der Informationsgesellschaft fängt gerade erst an. Das Lebensgefühl der Internet-Generation, die mit Aktien mehr Geld verdient als mit ihrer Festanstellung und im Weltdorf der E-Mail-Empfänger lebt, passe exakt zu den politischen Prämissen der Freien Demokratischen Partei: „Jetzt ist der Zeitgeist auf unserer Seite“, frolockt er in Nürnberg. „Der Geist der Zeit wird geprägt durch das, was in der Informationsgesellschaft gefragt ist: Individualität, Kreativität, Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein“, erläutert er den Seinen. „Deutschland entwickelt sich wieder zu einem Drei-Parteien-System, und die FDP ist dabei“, gibt er sich siegesicher und geißelt die Grünen als „inhaltsentleerte Funktionspartei“.

Den künftigen Partner der Liberalen sieht Westerwelle in der SPD. Mit dem Beschluss für eine neue Sozialpolitik unterstützen die Delegierten diesen Weg.

In der Jugendorganisation der Partei ist man von der neuen FDP begeistert. „Wir sind interessant für junge Leute, weil das inhaltliche Lebensgefühl der FDP jugendlich ist“, behauptet der Juli-Vorsitzende Daniel Bahr. Der 23-jährige Bankkaufmann und angehende Volkswirt lehnt die Hinterzimmerpolitik der Alten ab: „Da ist kein Fun-Faktor bei.“ Er hält nicht viel von Gerhardt. Doch der Juli-Antrag für eine Trennung von Amt und Mandat, mit dem sie den Parteichef destabilisieren wollten, scheiterte in Nürnberg.

Die Favoriten der Jungliberalen bleiben Westerwelle und Möllemann. Westerwelle ist (fast) noch einer von ihnen. Möllemann hat trotz seiner 55 Jahre das „richtige Lebensgefühl“.

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