: In den Tod geschleppt
Gescheitert an der Festung Europa: 58 Flüchtlinge sterben auf der illegalen Reise von Belgien nach Großbritannien, eingepfercht in einem Kühlcontainer. Nur zwei Menschen überleben, Fahrer in Haft
DUBLIN/DOVER taz ■ Der britische Zoll hat gestern früh im südenglischen Hafen Dover in einem Lastwagen die Leichen von 58 Menschen entdeckt, die vermutlich illegal ins Land geschleust werden sollten. Die Flüchtlinge, die aus Ostasien stammen, waren in einem knapp 17 Meter langen, luftdicht abgeschlossenen Kühlcontainer untergebracht. Die Kühlung war abgeschaltet. Offenbar sind die 54 Männer und vier Frauen erstickt. Zwei Männer haben den Transport überlebt und sind ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Der in den Niederlanden zugelassene Lastwagen war vom belgischen Zeebrügge gekommen. Auf den Begleitpapieren waren Tomaten als Fracht angegeben. Bis Rotterdam ließe sich seine Spur zurückverfolgen, sagte ein Sprecher der Polizei gestern, mehr wisse man bisher nicht. Graham Leese vom Nachrichtendienst der Polizei sagte, er sei um die beiden Überlebenden besorgt, da sie als mögliche Zeugen gegen Schlepperbanden gefährdet sein könnten. Man habe Vorkehrungen zu ihrem Schutz getroffen. Noch seien sie nicht vernehmungsfähig, sagte Leese.
Die Art des Menschenschmuggels deute auf Flüchtlinge aus China hin, gab die Polizei bekannt. Chinesen stellen die größte ostasiatische Einwanderungsgruppe in Britannien. „In der Vergangenheit sind hin und wieder Flüchtlinge auf dem Weg nach Großbritannien in ihren Verstecken umgekommen“, sagte Mark Pugash von der Polizebehörde der Grafschaft Kent, „aber das Ausmaß dieser Tragödie übersteigt alles, was wir hier jemals erlebt haben.“
Der Zollbeamte, der den Container als Erster betreten hatte, ist inzwischen beurlaubt und wird psychologisch betreut. Die Zollbehörde erklärte, sie habe den Lastwagen durchsucht, weil ihnen eine Firma Van der Spek unbekannt war. Darüber hinaus hatte der niederländische Lkw-Fahrer die Fährpassage bar bezahlt, was ungewöhnlich sei. Der Mann wurde festgenommen.
Außenminister Robin Cook sagte: „Wir müssen die internationale Zusammenarbeit gegen die Schlepper verbessern.“ Innenminister Jack Straw, der im April die Asylgesetze verschärft hatte, sagte: „Meine Gedanken sind bei den Familien der Opfer. Die Regierung ist entschlossen, den Banden, die keine Rücksicht auf Menschenleben nehmen, das Handwerk zu legen.“ Man überlegt offenbar, neben der Einrichtung von Röntgengeräten in den Häfen auch die Geheimdienste bei der Bekämpfung des Menschenschmuggels einzusetzen.
RALF SOTSCHECK
brennpunkt SEITE 3
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