: Chinas Bildungsboom ohne deutsche Unis
Chinesische Studenten drängen ins Ausland, um ihre Berufschancen zu verbessern. Das Land der Verheißung sind die USA. Auf Bildungsmessen werben ausländische Unis um Chinas Studenten – deutsche Hochschulen nicht. Am Studium in Deutschland reizen vor allem die fehlenden Studiengebühren
aus Shanghai SVEN HANSEN
Am Eingang der Tongji-Universität im Nordwesten Shanghais grüßt der Große Steuermann. Doch die riesige Statue Mao Tse-tungs und das obligatorische Studium seiner „Gedanken“ sind hier Relikte der Kulturrevolution. Weil China damals zur Bildungswüste verkam, setzen die Eltern umso stärker auf eine gute Ausbildung ihrer Kinder. Heute ist die schon 1907 von einem deutschen Arzt gegründete Tongji Chinas erste Adresse für Deutschunterricht.
Die Tongji-Uni ist nur eine von über hundert Hochschulen mit Deutschkursen. Doch rund ein Drittel aller chinesischen Studenten in Deutschland haben dort ihre Deutschkenntnisse erworben. „Wer in Deutschland studiert hat, hat auf Chinas Arbeitsmarkt gute Chancen“, erklärt Zhu Jianhua, der Dekan der Deutschen Fakultät. Hansgünther Schmitt, Büroleiter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Peking, sieht in China „ein sprunghaftes Interesse an einem Auslandsstudium“. Doch Deutschland profitiere davon nur anteilig.
„Die Deutschen treten hier kaum aktiv auf“
Bei der deutschen Botschaft sind die Visaanträge von Studenten im vergangenen Jahr auf über 3.000 gestiegen, 1997 waren es nur 900. Schmitt erklärt den Drang an ausländische Universitäten mit dem größeren Wohlstand der Chinesen. Schon bei Schülern legen immer mehr Eltern Wert auf eine Bildung im Ausland.
Die Prioritäten chinesischer Auslandsstudenten sind eindeutig. „Das Land der Verheißung sind nach wie vor die USA. Dort studieren etwa 15-mal so viele Chinesen wie in Deutschland“, räumt DAAD-Mann Schmitt ein. Von der Pekinger Eliteuniversität Qinghua gehe die Hälfte eines Jahrgangs in die USA. „Für die Vereinigten Staaten als Studienort spricht, dass jedem, an dem Interesse besteht, eine Green Card in Aussicht gestellt wird“, erklärt Schmitt. Deutschland liege in der Wunschliste chinesischer Studenten hinter den USA, Großbritannien und Australien auf Rang vier – etwa gleichauf mit Frankreich und Japan.
„Der erste Grund für ein Studium in Deutschland sind die fehlenden Studiengebühren“, sagt Zha Weiping, Abteilungsleiter für höhere Bildung im Pekinger Erziehungsministerium. Das sieht auch DAAD-Vertreter Schmitt nicht anders: Wer nach Deutschland komme, könne sich teure Studienländer meist nicht leisten. Die meisten Studenten seien heute so genannte „Selbstzahler“. Für ihre Kosten komme die Familie auf.
Eine Ausbildung in Deutschland propagieren auch professionelle Agenturen – die viel Geld kassieren. „Die Vermittlung eines Studienplatzes im Ausland kann bis zu 10.000 Mark kosten, einschließlich gefälschter Zeugnisse“, so Schmitt. Er schätzt, dass etwa ein Drittel aller eingereichten Zeugnisse gefälscht sei. Deutsche Universitäten versuchten sich denn auch zunehmend der von Schleusern vermittelten „Studenten“ zu erwehren.
Weil amerikanische, britische und australische Universitäten an den Studiengebühren ausländischer Studenten verdienen, drängen diese Hochschulen im Unterschied zu den deutschen regelrecht nach China. In der Volksrepublik haben sich Bildungsmessen zu lukrativen Geschäften entwickelt. Ausländische Universitäten werben dort gegen hohe Standgebühren um Studenten, die selbst teure Eintrittsgelder bezahlen müssen. Deutsche Universitäten aber sind kaum vertreten, Schmitt und sein DAAD nur selten.
Abteilungsleiter Zha vom Ministerium wurde gerade zu einem Treffen mit zwanzig australischen Hochschulrektoren in Shanghai eingeladen. „Die australischen Universitäten suchen aktiv nach Kooperationspartnern“, sagt er. Zwar gibt es vereinzelt auch eine Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen, aber: „Die Deutschen treten hier kaum aktiv auf.“
Etwa zwei Drittel der chinesischen Studenten im Ausland kehren nicht wieder in die Volksrepublik zurück. Seit einiger Zeit bemüht sich die Regierung deshalb verstärkt um die im Ausland gebliebenen Fachkräfte.
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