„Mir geht es gut“

■ Ex-St.-Paulianer Waldemar Steubings Leben in der Pfalz

Die 396 n. Chr. gegründete Römersiedlung Altrip besteht aus Einfamilienhäusern, der „Sauerkrautfabrik Hook“ und – wie in der Pfälzer Region üblich – unzähligen Gaststätten. Stolz ist man hier auf den „Turn- und Sportverein“ und da-rauf, dass in den Niederungen der Bezirksliga Vorderpfalz mit Waldemar Steubing ein ehemaliger Profi das Zepter schwingt. Und das als Spieler und Trainer gleichzeitig: „Es macht einfach Spaß, mit Waldi zusammenzuarbeiten“, lobt der Spielausschussvorsitzende Jürgen Dinies. Und erwähnt stolz, dass auch der ehemalige HSV-Star (und künftige Frankfurter Co-Trainer) Manfred Kaltz hier das Kicken gelernt hat. „Und das St. Pauli-Urgestein Walter Frosch kommt aus dem Nachbarort.“

Beim 3:1-Sieg über Rot-Weiß Seebach (bei Bad Dürkheim bei Speyer bei Ludwigshafen) ist der mittlerweile 40-jährige gelernte Stürmer und jetzige Libero einer der besten auf dem Platz. Doch auch Waldi muss seinem Alter Tribut zollen: „Im Mittelfeld zu spielen hätte keinen Sinn mehr.“ Dennoch zieht es den ehemaligen Angreifer oft nach vorne: „Bleib' hinten, wir führen 1:0“, muss er sich daher kurz vor Halbzeit vom Mittelstürmer ermahnen lassen.

Das tut er dann auch. Und ärgert sich nach dem Abpfiff über die Chancenverwertung seiner Jungs. Auch wenn es „alles liebe Kerle“ sind. Wie heute in der Pfalz, hatten ihn die Fans am Millerntor ins Herz geschlossen. „Der passte schon rein äußerlich in die Zeit. Damals hatte der halbe Kader und ein Großteil der Fans in der Nordkurve einen Schnauzbart“, bedauert St. Pauli-Fan Torben Villmow, der kaum ein Spiel am Millerntor verpasste, dass sich die Fanszene geändert hat, „das waren zwar alles keine Intellektuellen, aber grundehrliche, nette und friedliche Leute.“

Dass Steubing jedoch noch heute am Millerntor Kultstatus hat, hat weniger mit optischen Gemeinsamkeiten zu tun. Er stand vielmehr für das charmant Unvollkommene des Clubs, das die Identität des Vereins damals prägte. Aber kann man für seine Unzulänglichkeiten geliebt werden? Für drei Tore in drei Profijahren von 1988 bis 1991? Offenbar ja, zumindest am Hamburger Millerntor, wo ein gesichtsloser „Ja gut, ich sachma“-Floskulator nicht allein deshalb geliebt wird, weil ihm ein technisch versierter Scherenschlag gelungen ist. Im Falle Steubing heißt das, dass ein Mann, „der aus kurzer Distanz freistehend entweder über oder neben das Tor schoss“, für den Zeitzeugen Villmow dennoch den Eighties-Charme: „Der hat sich doch am meisten darüber geärgert, dass er nicht getroffen hat. Er hat geackert und gekämpft. Und genau das vermisse ich an vielen Spielern heute.“

Umgekehrt gibt auch der heutige Finanzbuchhalter im Schrauben-Großhandel zu, daß er wohl zu Recht nie in die Nationalmannschaft berufen wurde: „Ich hatte einfach die Seuche.“ Waldemar Steubing ist seit seiner letzten Profisaison 1991/92 – er spielte für Hannover 96, wohnte aber noch in Norderstedt – nicht mehr in Hamburg gewesen: „Damals ist mein Sohn gestorben. Meine Frau und ich scheuen uns noch heute davor, nach Hamburg zu fahren. Da kämen vielleicht die ganzen Erinnerungen hoch.“

Dennoch hat er noch Kontakt zu seinen damaligen Kollegen Berni Olck und André Bistram. Als er erfährt, dass auch Dieter Schlindwein noch in Hamburg wohnt, sagt er „das passt zu Schlindi. Der ist ein Großstadtmensch.“

Steubing ist das nicht. Er genießt nach langen Jahren ständiger Umzüge die Herzlichkeit der Menschen in seiner Heimat: „Dass die Leute hier so kontaktfreudig sind, liegt vielleicht auch daran, dass hier so viel gesoffen wird“, sagt er, als ein Mitspieler aus dem Clubheim herausruft, er solle doch endlich reinkommen. Drinnen wartet ein frisch gezapftes „Mayer-Pils“ aus Oggersheim: „Mir geht es gut“, sagt Steubing noch zum Abschied. Man gönnt es ihm. Christoph Ruf