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Ein bisschen weniger Beamte

Mit NRW wollte das erste große Bundesland Lehrer nicht mehr als Beamte einstellen. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch das Bildungsministerium will davon nichts wissen

KÖLN taz ■ „Der Einsatz von Beamten wird auf den engeren Bereich hoheitlicher Tätigkeiten begrenzt.“ So lapidar steht es im rot-grünen Koalitionsvertrag für NRW, versteckt unter dem Punkt „Personalkosten senken“. Ein Satz mit Sprengkraft: Werden neue Lehrer im bevölkerungsreichsten Bundesland demnächst nicht mehr verbeamtet, sondern nur noch als Angestellte eingestellt? Ist das der bundesweit diskutierte Einstieg in den Ausstieg aus der Formel Lehrer = Beamter?

Eine „Entbeamtung“ bereits eingestellter Pauker ist nicht möglich. Nicht ungewöhnlich ist indes, dass Junglehrerinnen nicht mehr verbeamtet werden. In Neufünfland ist dies sogar der Regelfall. Noch. In Sachsen rückt man inzwischen wieder vom Angestelltenmodell ab. Auch in Schleswig-Holstein scheiterte vergangenes Jahr der von der Ministerpräsidentin vorangetriebene Versuch, Neulehrer prinzipiell nicht mehr zu verbeamten.

Die Grünen wollen sich damit nicht abfinden. „Die Gleichung ‚Einmal Lehrer, immer Lehrer‘ ist für die Qualität der Schule keine gute Gleichung“, sagte der gerade neu gewählte grüne Bundesvorstandssprecher Fritz Kuhn gerade beim Grünen-Parteitag in Münster. Daher sei der Beamtenstatus für Lehrer abzuschaffen. Kuhn scheue in dieser Frage auch nicht harte Auseinandersetzungen mit der Lehrergewerkschaft GEW.

Was will Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen? „Umfangreich Neu-Lehrer nur im Angestelltenverhältnis einstellen“, ist sich die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Renate Boese sicher. Der Grund: Das Land wolle Kosten für Pensionsleistungen sparen. Boese nennt das eine Milchmädchenrechnung: Dann würden die Arbeitgeberbeiträge für die Altersversorgung eben früher fällig. Zudem befürchtet die Gewerkschafterin, dass sich der Trend zur Flucht von Pädagogen aus NRW verstärke: „Schon jetzt“, so bemerkt sie, „lassen sich Lehrer der Sekundarstufen I und II in Hessen oder Niedersachsen einstellen.“ Dort seien die Konditionen für sie deutlich besser, sprich: Es wird noch verbeamtet.

Will Wolfgang Clements Kabinett die Entbeamtung von Lehrern trotzdem? Die neu-alte Koalition ist sich da uneins. „Es ist Konsens, dass wir das so machen werden“, meint die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. Jedoch werde die Nicht-Verbeamtung keineswegs zum Dogma erhoben. Im sozialdemokratisch geführten NRW-Bildungsministerium präferiert man derweil eine ganz andere Interpretation des Koalitionsvertrages. Schulbildung zähle zu den „unmittelbar hoheitlichen Aufgaben“, legte ein Ministeriumssprecher der taz überraschend dar. Eine Nicht-Verbeamtung von Lehrern rechne sich auch unter dem Strich nicht. „Das will keiner“, stellt sich der Sprecher glatt gegen die Koalitionsvereinbarung.

Gewiss ist nur: Mindestens 5.000 neue Lehrer will NRW in den nächsten Jahren einstellen. Unter ihnen 500 Grundschullehrer, die zunächst nur auf Teilzeit arbeiten sollen. Dies sei „in Anbetracht des engen Arbeitsmarktes“ nötig, um „auch weiterhin mehr jungen Lehrerinnen und Lehrern die Chance auf einen Berufseinstieg zu ermöglichen“, sagt die reichste Bildungsministerin Deutschlands (Etat: 30 Milliarden), Gaby Behler (SPD). Aus rechtlichen Gründen werden die Nachwuchspauker lediglich für eine Übergangsphase von fünf Jahren als Angestellte tätig sein – mit der Option auf anschließende Verbeamtung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar entschieden, dass Lehrer in der Einstellungsteilzeit nicht im Beamtenverhältnis eingestellt werden dürfen.

Abgesehen von diesem Kreis, so heißt es im Ministerium, würden jedoch alle künftigen Neu-Lehrer „nach den üblichen Verfahrensregeln eingestellt und im Regelfall verbeamtet“.

PASCAL BEUCKER/MARCUS MEIER

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