Internationale gegen Rassismus

In der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten Vertreter von Regierungen, Wirtschaft und Menschenrechtsorganisationen über die „Verbreitung von Hass im Internet“. Dürfen Bertelsmann und amazon.com Hitlers „Mein Kampf“ verkaufen?

von NIKLAUS HABLÜTZEL

Rabbi Abraham Cooper nahm sich eine gute Stunde Zeit, um zu schildern, was da aus dem Internet auf uns hereinbricht. Auf uns alle, nicht nur auf die Juden, Schwarzen, Schwulen, Katholiken, Asiaten, Muslime. Cooper, weltweit anerkannter Vorsprecher für die Rechte der Juden und Dekan am Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, dankte der Friedrich-Ebert-Stiftung und der deutschen Justizministerin für die Einladung und für das besonders offene Ohr, das sie seinem Anliegen schenkten. Auch auf den Festplatten von Bombenlegern und Amokläufern fanden sich Dokumente aus dem Interenet. Das Wiesenthal-Zentrum zählt etwa 2.000 Websites, die Gewalt und Rassimus predigen und damit „Hass verbreiten“, wie der Titel der Konferenz lautet, die zum Wochenbeginn sattfand.

Niemand mochte Rabbi Cooper widersprechen. Gewalttäter und Rassisten aller Art nutzen das Internt. Auch ihnen gibt es jene erweiterten Kommunikationsmittel an die Hand, die es zu einer Revolution machen. Die Vorzüge will Cooper nicht leugnen, nur ihren Missbrauch gelte es zu bekämpfen, und zwei Tage lang haben danach Fachleute, Vertreter der Politik und der Industrie versucht, Wege zu finden, dieser Forderung zu entsprechen.

Weil die Frage nicht neu ist, waren in der Sache kaum neue Argumente zu erwarten. Die Konferenz sollte Bilanz ziehen und eine Position formulieren, an der sich insbesondere die deutsche Regierung orientieren kann. Das Ergebnis heißt „Berliner Erklärung“ und ist unter www.fes.de/aktuell/berlinererklaerung.html online verfügbar.

Mit gewissem Recht stellte die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin vor der Presse das Papier als Erfolg vor. Es beschreibt das Problem und schließt allein dadurch den Übereifer deutscher Ermittlungsbehörden aus, durch den Deutschland bisher in der Netzwelt vor allem aufgefallen war. Willkürliche Anklagen wie diejenige gegen den ehemaligen CompuServe-Geschäftsführer Felix Somm sind nicht mehr zu erwarten. Der prinzipielle Konflikt zwischen der durch das Internet globalisierten Meinungfreiheit und dem insbesondere aus deutscher Sicht nicht weniger legitimen Wunsch, rassistische Propaganda jeder Art unter Strafe zu stellen, bleibt dennoch bestehen. Das Papier verschweigt ihn nicht. Es verschiebt ihn lediglich auf die Ebene künftiger internationaler Vereinbarungen, für die sich die Bundesregierung nunmehr einsetzen will, statt im Alleingang den Datenverkehr zu beschränken.

Die Schwierigkeiten werden dadurch nicht kleiner. Der XLink-Gründer Michael Rottert und Rober Caillau, Miterfinder des Webs am CERN, erinnerten an die technischen Grundlagen des Netzes, die eine wirksame Kontrolle von Inhalten und Straftätern weitgehend ausschließen, und ausgerechnet Michael Vatis, stellvertretender Direktor beim FBI, erläuterte der Versammlung, was aus Sicht der amerikanischen Regierung das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet. Das FBI könne nur „hate crimes“ verfolgen, niemals aber „hate speach“, sagte Vatis und riet davon ab, zu glauben, dass die USA jemals auf diese Unterscheidung verzichten werden.

Thomas Middelhoff, Vorstandschef der Bertelsmann AG, hatte die Rolle des Sprechers für die Internetwirtschaft übernommen. Auch er konnte der Konferenz wenig Hoffung machen. Der zu Bertelsmann gehörende Onlinebuchhandel Barnes and Noble wird Hitlers „Mein Kampf“ nicht mehr nach Deutschland ausliefern. Dass seine amerikanischen Partner aber damit einverstanden sind, dieses Buch völlig aus dem Katalog zu verbannen, wie von Rabbi Cooper und der Jutizministerin ausdrücklich gefordert, kann er sich so wenig vorstellen wie Bill Curry, der für amazon.com nach Berlin gereist war. Curry brauchte nur zwei Sätze, um seine Position umfassend darzustellen: „Wir verkaufen Bücher. Wir zensieren keine Bücher.“