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Transrapid: Wiedergeburt in China?

Chinas Premier Zhu Rongji will bei seinem Deutschlandbesuch die umstrittene Magnetschwebebahn testen. Die Industrie hofft auf die Vereinbarung einer Machbarkeitsstudie, bei den Menschenrechten gibt sich auch die rot-grüne Regierung zugeknöpft

aus Berlin SVEN HANSEN

„Wir blicken mit großen Hoffnungen auf Sonntag“, sagt Peter Wiegelmann vom Konsortium Transrapid International. An diesem Tag wollen Chinas Premier Zhu Rongji und Schanghais Bürgermeister Xu Kuangdi die Magnetschwebebahn im Emsland probefahren. Der gelernte Ingenieur Zhu, dessen Deutschlandbesuch heute offiziell in Berlin beginnt, ist am Transrapid interessiert. Der frühere Bürgermeister von Schanghai möchte seiner Heimatstadt das Experiment mit der umstrittenen deutschen Technologie ermöglichen.

Vorgesehen ist zunächst eine Verbindung zwischen dem Zentrum und dem neuen Flughafen Pudong. Die Kosten für die 42 Kilometer lange zweispurige Strecke wird mit 1,5 Milliarden Mark veranschlagt. China ist angeblich zur Finanzierung der Hälfte bereit. Die andere Hälfte erhofft man sich aus Deutschland. Dies sei „ein guter Indikator dafür, ob die Deutschen an diesen Zug glauben“, so Bürgermeister Xu.

„Wir erwarten jetzt noch keinen Auftrag, aber einen Schub für das Projekt“, sagt Transrapid-Sprecher Wiegelmann. Den großen Sprung nach vorn soll eine Machbarkeitsstudie ermöglichen, die bis Jahresende fertig sein soll. Doch die Finanzierung der 1,6 Millionen teuren Studie ist noch nicht klar. Es wird damit gerechnet, dass die Bundesregierung zahlt. Aber bisher weigert sich das Verkehrsministerium, die Kosten zu bestreiten. Eine Einigung wird im Verlauf des Staatsbesuchs erwartet.

Die Machbarkeitsstudie soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Baubeginn könnte nächstes Jahr sein, spätestens 2004 könnte der Transrapid dann in Betrieb gehen. Bürgermeister Xu wertet die Magnetschwebebahn als Attraktion für seine Stadt, die sich um die Ausrichtung der Expo 2010 bewirbt. Die Weltausstellung in Hannover besuchen Zhu und Xu denn auch im Anschluss an ihre Fahrt mit der Magnetschwebebahn.

Transrapid International hofft auf den Großauftrag für die 1.500-Kilometer-Strecke Peking–Schanghai. Darum bewerben sich auch Konzerne mit ihren Schnellzügen aus Japan (Shinkansen), Frankreich (TGV) und Deutschland (ICE). Den Transrapid als weiteres System ins Spiel zu bringen, hält Martin Posth, Exchef von VW-Schanghai und heutiger China-Consultant, für einen geschickten Schachzug der Chinesen. So würden sie versuchen, Preise zu drücken und mehr Exportsubventionen zu bekommen.

„Als Ehrenbürger von Schanghai wäre ich glücklich, wenn der Transrapid dort fahren würde. Aber nüchtern betrachtet sehe ich nicht, wie wir in Schanghai eine Referenzstrecken zustande bringen, deren Finanzierung in Deutschland politisch nicht zu vertreten war“, so Posth zur taz.

Bei Zhus Besuch dominieren wirtschaftliche Themen. Noch gestern Nachmittag wollte Zhu, der sich seit Mittag inoffiziell in Berlin aufhielt, im Hotel Adlon deutsche Konzernbosse treffen. Dabei geht es auch um milliardenschwere Chemieprojekte von Bayer und BASF in Schanghai und Nanjing. Heute mittag will Zhu zu Vertretern deutscher Unternehmen sprechen. China ist nach den USA und Japan Deutschlands wichtigster außereuropäischer Handelspartner. Die chinesischen Exporte nach Deutschland sind doppelt so hoch wie die deutschen Ausfuhren ins Reich der Mitte.

Nur eine Nebenrolle spielen beim Besuch die Menschenrechte. Zwar versichert das Kanzleramt, man spreche das Thema „selbstverständlich“ an. Details wollte man allerdings nicht nennen. Stattdessen wird auf eine Erklärung zum so genannten Rechtsstaatsdialog verwiesen, die Zhu und der Bundeskanzler heute unterzeichnen wollen. Darin wird der bereits begonnene Dialog auf eine festere Grundlage gestellt. Mehr ist von offizieller Seite nicht zu erwarten.

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