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Verwirrung um Rentenfaktoren

Union bemängelt Rentenkonzept Riesters und stellt „Ausgleichsfaktor“ in Frage, befürwortet jedoch ähnlichen „Generationenfaktor“. Gewerkschaften sind für hälftige Finanzierung der Renten durch Beschäftigte und Arbeitgeberaus Berlin BARBARA DRIBBUSCH

Das Hin und Her um die Rentenreform geht weiter: Jetzt forderten die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, in einem Brief an Bundeskanzler Schröder Korrekturen an der Regierungsvorlage zur Rentenreform. Die Korrekturwünsche erweisen sich bei näherem Hinsehen jedoch als nicht gravierend.

Das gesamte Volumen der Privatvorsorge in Höhe von 19,5 Milliarden Mark will die CDU/CSU-Fraktion nicht erhöhen. Nach dem Willen Stoibers und Merkels soll der staatliche Zuschuss zur Privatvorsorge jedoch zugunsten der Kinderzahl umgeschichtet werden. Die Unionsfraktion fordert einen direkten Zuschuss für jedes Kind in Höhe von 30 Mark pro Jahr. Im Rentenkonzept von Sozialminister Riester sind die Zuschüsse nur familienweise aufgeführt.

Die Unionsfraktion lehnt auch den „Ausgleichsfaktor“ im Konzept Riesters als „nicht akzeptabel“ ab. Der Ausgleichsfaktor sei „manipulationsanfällig“ und „willkürlich“. Es müsse eine „transparente und in der Öffentlichkeit „darstellbare Rentenformel“ erarbeitet werden. Nähere Angaben dazu machten Merkel und Stoiber jedoch nicht.

Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm hat sich laut Handelsblatt unterdessen für einen „Generationenfaktor“ ausgesprochen. Danach würde das Rentenniveau für jede Altersgruppe künftig ein wenig niedriger ausfallen – ähnlich wie beim „Ausgleichsfaktor“ im Konzept Riesters. Der „Generationenfaktor“ und der„Ausgleichsfaktor“ würden sich vom Endergebnis her nur wenig unterscheiden. In beiden Fällen würde das Eckrentenniveau für die Neuzugänge schrittweise auf 64 Prozent im Jahre 2030 abgesenkt.

Das ist der Unterschied zum alten „demographischen Faktor“ des ehemaligen CDU-Sozialministers Norbert Blüm. Nach der blümschen Reform wäre das Niveau für alle Renten über die Jahre hinweg gleichzeitig vermindert worden. Nach dem riesterschen Konzept und auch nach einem „Generationenfaktor“ werden jedoch immer nur die Renten der Neuzugänge vermindert. Damit haben beispielsweise im Jahre 2030 zwar die Neurentner ein Niveau von 64 Prozent. Wer jedoch schon zehn Jahre oder länger Rente bezieht, bekommt auch im Jahre 2030 ein höheres Eckrentenniveau.

Die verlängerte Lebenserwartung lege ein „altersgruppenspezifisches Absenken“ der Renten nahe, erklärte dazu der Rentenexperte Bert Rürup gegenüber der taz. Rein statistisch steigt die durchschnittliche Lebenserwartung alle drei Jahre um ein Jahr. Ein Absenken des Eckrentenniveaus von 70 auf 64 Prozent innerhalb von 30 Jahren wäre somit durch die höhere Lebenserwartung gerechtfertigt.

Walter Riester begründet das Absenken der Renten in seinem Konzept allerdings nicht nur mit der höheren Lebenserwartung, sondern koppelt die Verminderung an fiktive private Sparerträge, die von den Beschäftigten im Laufe der Jahre auf die hohe Kante gelegt werden könnten. Eine solche Koppelung sei „problematisch“, schreiben Merkel und Stoiber. In SPD-Kreisen jedoch wird diese Diskussion als fruchtlos abgetan: „Im Grunde geht es nur um unterschiedliche Begründungen für ein und dieselbe Rentensenkung“, hieß es. Wie aus SPD-Kreisen verlautete, will sich Schröder zu Beginn kommender Woche mit der Fraktion darüber einigen, dass die Eckrenten durch den „Ausgleichsfaktor“ von 70 auf 64 Prozent abgesenkt werden.

IG-Metall-Chef Klaus Zwickel hat den Parteivorstand der SPD unterdessen aufgefordert, nicht im „Eilverfahren“ der Rentenreform zuzustimmen. Zwickel protestiert insbesondere dagegen, dass künftig die Beschäftigten mehr privat ansparen sollen und die Arbeitgeber sich nicht daran beteiligen müssten. Bei den bisherigen Beiträgen zur gesetzlichen Rente zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte. Auch die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) hat ihre Auffassung unterstrichen, dass die hälftige Finanzierung der Alterssicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht aufgegeben werden dürfe.

Kommentar Seite 11

Hinweis:Nach dem neuen Konzept bekommt jede Altersgruppe eine niedrigere Rente als der vorherige Jahrgang

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