gesinnungstäter der cdu: Selbstgerecht und unverschämt
Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. So sagt es das Grundgesetz. Nur – dazu muss man erst mal eines haben.
Fakt ist, dass sich die CDU-Abgeordneten im Untersuchungsausschuss vor jeder brisanten Zeugenvernehmung mit Exkanzler Kohl beraten haben. Fakt ist leider auch, dass dies nicht ausdrücklich verboten ist. Aus dieser Rechtslage nun ziehen besagte Christdemokraten offenbar den Schluss, dass sie sich nichts, aber auch gar nichts vorzuwerfen haben. Mit unsäglicher Chuzpe versuchen sie, den demokratischen Auftrag des Ausschusses zu diskreditieren, ihr eigenes, höchst anrüchiges Vorgehen als politisches Normalverhalten auszugeben, und überhaupt verstehen sie die ganze Aufregung nicht. Motto: Alles, was nicht verboten ist, ist irgendwie erlaubt.
Kommentarvon BASCHA MIKA
Die Selbstgerechtigkeit und Unverschämtheit der christdemokratischen Ausschussmitglieder erinnert keineswegs zufällig an das Verhalten ihres Exvorsitzenden. Es sind eben nicht nur Kohl und sein kleiner Kreis, die die geistig-moralische Wende mit Korruption für vereinbar halten: Kohls Einfluss in der Partei ist umfassend und wirkt in doppeltem Sinne fort. Nach wie vor hat er Macht im Apparat. Warum sonst wären die Ausschussmitglieder brav bei ihm angetanzt? Was aber weitaus schwerer wiegt: Er hat dubiose Wertvorstellungen verankert und Maßstäbe gesetzt, die in der CDU noch immer gelten und das aktive politische Handeln ihrer Mitglieder bestimmen.
Das führt uns die Ausschussarbeit der Union deutlich vor Augen. In ihr drückt sich eine außerordentliche Verachtung der Demokratie aus. Die stützt sich schließlich ganz wesentlich auf die Integrität – und eben das Gewissen – der Mandatsträger. Die Öffentlichkeit erwartet von ihren gewählten Vertretern, dass sie sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und jenseits aller rechtlichen Maßstäbe mit einem politisch-moralischen Rückgrat ausgestattet sind. Nur: Den CDU-Repräsentanten scheint der Gedanke, dass ein Abgeordneter mehr ist als nur ein Funktionär seiner Partei, überhaupt nicht zu kommen. So viel zu den Schwüren der Parteiführung, die Selbstreinigung und sittliche Erneuerung der CDU sei in vollem Gange, wenn nicht sogar abgeschlossen.
Zu schade, dass das eine Lüge ist. Deshalb kann man zwar die CDU-Mitglieder im Ausschuss auswechseln. Nur wird es nicht viel nützen. Was die Union vor allem wechseln müsste, wäre ihre Gesinnung.
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