piwik no script img

„Es kribbelt wieder“

Marco Baldi, Vizepräsident der Basketballer von Alba Berlin, blickt in eine verheißungsvolle Zukunft. Ein Gespräch über den neuen Trainer der Albatrosse, eine modifizierte Europaliga und frische Spieler

Interview: MARKUS VÖLKER

taz: Alba Berlin hat lange gezögert, sich dann aber nicht für die Alternativliga EuroLeague des Verbands Uleb entschieden, sondern ist beim Weltverband Fiba geblieben. Warum?

Baldi: Es gab Bewegung in der Fiba, die bisher nach Gutsherrenart die europäischen Wettbewerbe geführt hat.

Was hat sich bewegt?

Die Konkurrenzsituation hat dazu geführt, dass die Fiba über ihre Strukturen und Umgangsformen nachdenkt – und sie bereits massiv geändert hat. Die Fiba war plötzlich zu einem Dialog unter gleichberechtigten Partnern in der Lage. Ich musste mich erst daran gewöhnen. Es war plötzlich eine völlig neue Situation.

Man hat also ad hoc Lernbereitschaft bewiesen?

Ja, sofort, in kürzester Zeit hat der Weltverband plötzlich eine Flexibilität bekommen, die erstaunlich war. Vorher hat die Fiba alles geregelt, darauf konnte man schimpfen oder es auch loben. Jetzt sitzt man selbst mit drin.

Wieder im Boot?

Es wird neue Strukturen geben, zum Beispiel ein Board von Seiten der Vereine, das die SuproLeague überwacht.

Dass das Monopol der Fiba aufgebrochen wird, bewerten Sie also positiv?

Kurzfristig. Es ist zu Veränderungen gekommen, die in zwanzig Jahren nicht gekommen wären. Früher hat die Fiba gesagt: Wenn du hier nicht mitspielen willst, lass es bleiben. Das ist natürlich nicht so ganz die Art, wie man mit Klubs, die viel investieren, umgehen kann.

Und wie bewerten Sie diese Entwicklung auf längere Sicht?

Mittelfristig wird’s nur noch eine Top-Liga in Europa geben. Die anderen Klubs werden mehr oder weniger geläutert in zwei, drei Jahren aus der Uleb wieder austreten – oder auch nicht, das werden wir sehen.

Sie haben sich also richtig entschieden?

Von der Uleb lag nichts Konkretes auf dem Tisch. Uns waren fünf Dinge wichtig: das Teilnehmerfeld; die Garantie, dass wir drei Jahre gesetzt sind und ein möglicher zweiter Platz für ein deutsches Team. Und der Spielmodus. Wenn nach fünf Heimspielen die Schotten wieder dicht gemacht werden, dann ist das keine Europaliga. Der Ligagedanke steckt nur in der SuproLeague. Und über die Fiba kann man sagen, was man will, aber die Infrastruktur, die Schiedsrichter, das Drumherum, das ist bei der Fiba alles geregelt.

Wie verhärtet sind die Fronten zwischen den Ligen?

Sehr hart. In diesem Jahr wird es keinen Kompromiss mehr geben. Die Wahrscheinlichkeit ist praktisch null.

Ist ob der dollarstarken Verlockungen der Uleb der Taschenrechner bei Alba heißgelaufen?

Sicher, gerechnet haben wir auch. Aber nicht nur. Wenn wir nur gerechnet hätten, wären wir bei der Uleb gelandet. Das war nicht das einzig selig machende Kriterium. In dem Fall haben wir uns gegen die Kalkulation entschieden.

Arm gehen Sie aber nicht in die kommende Spielzeit?

Nein, wir sind beim Stand vom Vorjahr. Wir haben noch ein bisschen aus der Vergangenheit auszugleichen. Frankie King und diese Geschichten, die gehen durchaus ins Geld.

Da gibt es auch die Geschichte um Svetislav Pesic, nach Jahren ist er als Coach zurückgetreten. Wird er Alba trotzdem erhalten bleiben?

Wir haben kein Verhältnis, das auf irgendwelchen Vetragsstatuten basiert, sondern das gewachsen und sehr intensiv ist und bleibt. Da wird sich in Zukunft nichts ändern, wenn sich auch vom Schwerpunkt der Tätigkeit und der Machbarkeit einiges ändern würde, Pesic etwa ein Angebot annehmen sollte. In seinem Herzen aber bleibt Berlin. Seine Fähigkeiten, sein Wissen wollen wir hier belassen.

Geht das, wenn er beispielsweise in Griechenland trainiert?

Svetislav Pesic wird seinen Platz bei Alba behalten. Sicher nicht als Kontrolletti. Das wäre ganz schlecht.

Es geht also um eine metaphysischen Fortbestand von Pesic in Berlin?

Das ist schön gesagt, aber es wird schon ein bisschen konkreter sein. Wichtig ist, dass wir uns eine gemeinsame Zukunft geben, und nicht nur, dass wir uns sympathisch und nett finden, sondern auch Tätigkeitsfelder definieren.

Wie kann Emir Mutapcic, der Nachfolger, leibhaftig Pesic’ Werk weiterführen?

Wir haben ganz bewusst einen Trainer gewählt, der Alba kennt. Die Nachfolge stand ja schon seit zwei, drei Jahren fest. Wir haben kein Team, das trainiert werden muss, sondern ein Programm, in dem die Nachwuchsförderung dick gedruckt ist. Außerdem können wir keine Stars gebrauchen oder Spieler, die junge Leute nur da haben wollen, damit die ihre Tasche tragen. Wir leben von diesen jungen Spielern. Das ist unsere Basis. Mutapcic ist für das Alba-Programm prädestiniert.

Er ist also der ideale Rollenspieler im Alba-System?

Wir brauchen keinen Rollenspieler, im Gegenteil. Mutapcic hat das System mitentwickelt. Nicht mit der Öffentlichkeitswirkung von Pesic, selbstverständlich. Seine Individualität wird jetzt darüber bestimmen, wie Alba in den Medien rüberkommt, wie erfolgreich wir sein werden, ob es Veränderungen gibt. Es ist ja nicht so, dass alles in Stein gemeißelt ist für die nächsten hundert Jahre.

Sie haben nach dem Eingeborenen auf dem Planeten Alba gesucht?

Genau, er kennt den Verein. Er war der ideale Kandidat.

Welche Unterzeile oder Headline kann Mutapcic dem Alba-Programm beifügen?

Er hat im Prinzip alle Möglichkeiten. Emir Mutapcic kam schon 1991 zu Alba. Seitdem hat er mit wachsender Verantwortlichkeit mitgestaltet.

Die Saison beginnt durch die olympischen Spiele erst im Oktober, Sie können also entspannt in die Verhandlungen mit den Spielern gehen.

Sehr entspannt (lacht). Bei uns sollen nur Spieler spielen, die auch wirklich hier spielen wollen. Auf gut Deutsch: Wir müssen Lust aufeinander haben.

Sie warten.

Manche Klubs in Südeuropa haben schon fürchterlich losgeschlagen. Wir haben natürlich Berge von Bewerbungsunterlagen hier. Aber wir haben unseren eigenen Plan. Der ist im Kopf.

Gehört zum Plan, einen Playmaker einmal länger in Berlin zu halten?

Ich weiß nicht, ob das ein großes Problem ist. Wir brauchen Kontinuität, doch vor allem in der Führung. Wir hatten mit Vladi Bogojevic drei Jahre Kontinuität auf der Playmaker-Position. Das Programm heißt nicht „Point-Guard Alba Berlin“, sondern Bogojevic.

Auf jeden Fall werden Spieler von TuS Lichterfelde aufrücken: Maras, Papic, Schultze?

Das ist das Ziel. Es muss aber Sinn machen. Es bringt nichts, wenn sie nur auf der Bank sitzen. Entscheidend ist nicht für Alba: was bringt der einzelne Spieler, sondern wie entwickelt er sich weiter.

Alba hat sich zum dem Ost-West-Verein der Hauptstadt entwickelt!

Das hat der Senat festgestellt.

Sie auch?

Es ist ganz einfach. In einer sehr sensiblen Zeit sind wir in die Max-Schmeling-Halle im Prenzlauer Berg gegangen. Viele Westberliner Fans sind plötzlich mit einer völligen Normalität in den Ostteil der Stadt zum Spiel gefahren. Zudem sind wir ein junger Verein, nicht vorbelastet wie Dynamo oder andere.

Roland Geggus, der Präsident des Deutschen Basketball-Bunds (DBB), verkündete jüngst, euphorisiert vom Nike-Deal des DBB, mit dem Basketball gehe es nun aufwärts.

Absolut.

Was stimmt Sie optimistisch?

Das Fundament für den Basketball ist tiefer. Aber noch haben wir in Deutschland eine gewisse Monostruktur. Ich schaue gerne Fußball, aber daneben gibt es auch noch anderes.

Ist es nur eine vage Hoffnung auf einen Boom oder mehr?

Es gibt ganz konkrete Anzeichen. Ich darf da nicht zu sehr ins Detail gehen, ich rede lieber über Dinge, die auf dem Tisch liegen. Aber wir spüren es.

Was spüren Sie?

Ich kümmere mich auch mit der Bundesliga um die Fernsehverhandlungen. Da kommen ganz neue Bewegungen ins Spiel. Man hat die Monostruktur ein bisschen satt, die man selbst geschaffen hat. Man ist satt, man ist müde, man sucht nach Alternativen und Ergänzungen.

Man sucht nach Basketball?

Fest steht: Wenn es uns nicht gelingen sollte, Basketball regelmäßig auf den Bildschirm zu zaubern, dann werden wir uns nicht weiterentwickeln. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das sehen wir an Fehlern der Vergangenheit. Der DBB hat damals einen Fernsehvertrag unterschrieben, der für die Entwicklung absolut kontraproduktiv war.

Inwiefern?

Man hat Kohle verdient und sich eine schöne Bundesgeschäftsstelle gebaut, aber man hat nicht darauf geachtet, dass mit den Rechten irgendwas geschehen muss. ARD/ZDF haben sich die Rechte in den Schrank gestellt und gesagt: „Danke schön, dass wir sie haben“, und das war’s. Jetzt sagen wir: Das Geld hat nicht oberste Priorität, sondern die Gewähr von Übertragungen.

Und Alba Berlin ist der Katalysator bei der Etablierung einer Polystruktur?

Auf jeden Fall. Mittlerweile haben viele erkannt, dass gewisse Anstrengungen und Investitionen sich irgendwann auch lohnen. Man sollte Alba als Anreiz nehmen, nicht als Ausrede, um seinen Stillstand weiter zu verwalten und zu begründen. Es gibt einfach Bewegung. Dieses gewisse Feeling ist da. Es kribbelt wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen