: Dem Volk ins Maul gelegt
Österreichs Regierung will im Herbst die Bürger fragen, ob sie nicht auch gegen die Isolierung der Mitte-rechts-Koalition durch die 14 anderen EU-Regierungen sind
WIEN taz ■ Ein österreichisches Plebiszit gegen die europäischen Partnerländer soll im Herbst stattfinden. Das beschloss gestern der Koalitionsausschuss der beiden österreichischen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ. Falls die Sanktionen nicht aufgehoben werden, soll die Abstimmung entweder am 29. Oktober oder am 26. November stattfinden.
Den Österreichern wird die Frage gestellt: „Soll die Bundesregierung im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages mit allen geigneten Mitteln sicherstellen, dass die von den anderen Mitgliedsstaaten der europäischen Union gegen Österreich ungerechtfertigt verhängten Sanktionen sofort aufgehoben werden?“
Mit dem Beschluss hat sich Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider durchgesetzt, obwohl er an der Sitzung gar nicht teilgenommen hatte. Für den Fall, dass die so genannten Sanktionen der EU-14 nicht bis 30. Juni aufgehoben wären, hatte er seine Partei auf eine Volksbefragung eingeschworen. Was Haider sich als Antwort auf die diplomatische Isolierung wünscht, machte er letzten Sonntag in einem Interview mit dem Billigblatt Täglich Alles klar. Er sei gar nicht so unglücklich über diese Situation, „weil dann damit zumindest bei der EU-Osterweiterung nicht so schnell etwas geschehen wird, weil wir Österreicher dann halt nicht mitmachen“. Die so genannten Sanktionen liefern dem Koalitionspartner FPÖ also den Vorwand, Reform und Erweiterung der Union, zu denen sie sich in der Präambel des Koalitionsabkommens bekennen musste, nun doch zu blockieren. Andererseits kann Schüssel nicht zulassen, dass aus dem Plebiszit ein Votum gegen die EU wird.
Während Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und die meisten ÖVP-Granden ein Plebiszit immer nur als „letzten Ausweg“ gesehen hatten, machte Haider, der die Volksbefragung als Mobilisierungsveranstaltung für seine in lokalen Wahlen und Umfragen arg zurechtgestutzte Partei sieht, kräftig Druck.
Verfassungsrechtler sind der Meinung, dass eine Volksbefragung eine wie auch immer geartete Gesetzesinitiative zur Folge haben muss. Das Mindeste wäre eine klare Handlungsdirektive für die Regierung. Und das kann, wenn es um die Verschärfung der Gangart geht, nur irgendeine Art von Boykott sein.
RALF LEONHARD
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