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Armee im Aufstand

Elfenbeinküste von neuer Soldatenrevolte erschüttert. Militärregierung verdächtigt RDR-Opposition

BERLIN taz ■ Meuternde Soldaten haben die Elfenbeinküste an den Rand eines neuen Militärputsches gebracht. Knapp über ein halbes Jahr nach dem letzten Putsch, der den heutigen Staatschef General Robert Guei an die Macht brachte, musste sich Guei gestern im Polizeihauptquartier der Hauptstadt Abidjan verstecken, während junge Soldaten mit roten Baretten und automatischen Waffen die Metropole lahmlegten. Die Regierung nahm Verhandlungen auf und schickte zugleich Polizisten los, um die Meuterer zu verhaften.

Die Bewohner Abidjans blieben angstvoll zu Hause. Nach ersten Soldatenprotesten am Dienstag hatte die Regierung eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Nach deren Ende sperrten die rebellierenden Militärs die Straßen ab und beschlagnahmten Autos.

Der Sprecher der Meuterer,Marinequartiermeister Alain Kakou, sagte, der Protest sei eine „rein militärische Angelegenheit“. Die Regierung behauptet, die Rebellion sei politisch gesteuert. Der Rundfunksender „Radio Nostalgie“ der Oppositionspartei RDR (Sammlung der Republikaner) wurde am Dienstag von der Regierung geschlossen, weil er die ersten Aufrufe der Meuterer ausgestrahlt hatte.

Die Meuterei kommt wenige Wochen vor einem für den 23. Juli vorgesehenen Referendum über eine neue Verfassung. Der vorliegende Verfassungsentwurf bestätigt die umstrittene Politik der ivoirité, also des Ausschlusses tatsächlicher oder mutmaßlicher Ausländer aus dem politischen Leben der Elfenbeinküste. Unter anderem hindert dies den RDR-Führer Alassane Dramane Ouattara daran, sich zu Präsidentschaftswahlen aufzustellen. Dies war bereits ein Grund für den Putsch vom Dezember 1999, den Ouattara unterstützte. Das neue Militärregime hat aber in die alten Bahnen zurückgefunden. Die RDR wurde nach Veröffentlichung des Verfassungsentwurfs im Mai aus Gueis Allparteienregierung ausgeschlossen. Seitdem vergeht kaum eine Woche ohne Gerüchte über RDR-Putschvorbereitungen.

Die Armeerebellion kommt zum richtigen Zeitpunkt, um diese Krise auf die Spitze zu treiben. Denn der politische Streit ist Fassade für die Ratlosigkeit der Politiker gegenüber der Aufmüpfigkeit der ivoirischen Jugend, ob mit oder ohne Uniform. Schon beim Putsch von 1999 vermischten sich Geldforderungen der jungen Rekruten mit dem Anspruch auf politische Wertschätzung. Zwar ist der Sold seitdem um 30 Prozent erhöht worden, doch die radikalen Soldaten, die damals putschten, fordern weiterhin Sonderprämien und anständige Wohnungen. Manche haben sich in Banden mit Namen wie „Camorra“ oder „Rote Brigaden“ zusammengeschlossen und betreiben krude Volksjustiz. Über 60 Menschen wurden ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. DOMINIC JOHNSON

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