: Gute Hoffnung auf den Cup
Ganz Südafrika fiebert der Entscheidung um die WM 2006 entgegen. Mit einer glänzenden Bewerbung hat man es geschafft, zum Favoriten aufzusteigen
aus Johannesburg KORDULA DOERFLER
Roger Milla träumt davon, Abedi Pele ebenso wie George Weah und Nelson Mandela: dass Afrika erstmals eine Fußball-Weltmeisterschaft austragen darf. Jedes Kind in Südafrika fachsimpelt derzeit über die Stimmenverteilung in der Fifa und fiebert den heutigen Mittagsstunden entgegen. Die Moderatoren im staatlichen Fernsehen tragen stolz die offiziellen Bewerbungstrikots, die Zeitungen berichten täglich auf Sonderseiten, und der Rand ist so stabil wie lange nicht: eine Nation, die jahrzehntelang weltweit als Paria geächtet war, liegt im Fußballfieber und hat dabei prominente Fürsprecher.
Seitdem auch noch der Konkurrent Brasilien zugunsten Südafrikas zurückgezogen hat, ist man am Kap der Guten Hoffnung siegessicher – trotz des gefürchteten Konkurrenten Deutschland. Am Ende aber belächelte man die Ausbrüche des „Kaisers“ fast mitleidig und verzichtete sogar auf den „Madiba-Zauber“. Bis zuletzt war darüber spekuliert worden, ob „Madiba“, der ehemalige Präsident Nelson Mandela, selbst nach Zürich fliegen würde. Seine Anwesenheit hat den Südafrikanern im Sport schon viel Glück beschert.
Der große alte Mann aber griff lieber zum Telefon, und im Übrigen vertraut man darauf, dass die Bewerbung stichhaltig genug ist. Seit Monaten wirbt der Chef des Bewerbungskomitees, Danny Jordaan, unermüdlich für sein Land und erhielt gestern bei der Präsentation in Zürich stürmischen Applaus. Dabei war der leise Südafrikaner klug genug, nie angeberisch aufzutreten, und hat mit der ausgereiften Bewerbung dafür gesorgt, dass Südafrika Favorit ist.
Zweifellos ist Südafrika als einziges Land in Afrika in der Lage, eine Sportveranstaltung diesen Kalibers auszutragen, und verfügt auch über die dafür notwendige Infrastruktur: ein gut ausgebautes Kommunikationsnetz, Stadien und gute Straßen. Außerdem liegt es zeitgleich mit Europa, was den Verkauf der Fernsehrechte einfach macht.
Dass das Land mit der Organisation nicht hoffnungslos überfordert wäre, hat es in den vergangenen Jahren bei anderen Großereignissen bewiesen: 1995 fand die Rugby-Weltmeisterschaft am Kap statt, 1998 der Gipfel der Blockfreien, im vergangenen Jahr der Commonwealth-Gipfel, am kommenden Wochenende werden rund 15.000 Teilnehmer zur Weltaidskonferenz in Durban erwartet. Von kleineren Pannen abgesehen, kam es dabei nie zu nennenswerten Zwischenfällen, und auch für die Sicherheit der Gäste war umfassend gesorgt.
Südafrika selbst erhofft sich von dem Zuschlag nicht nur einen weltweiten Prestigegewinn, sondern vor allem wirtschaftlichen Aufschwung. Zwischen 150.000 und 300.000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, das Bruttoinlandsprodukt bis zu 3 Prozent gesteigert werden, der Tourismus boomen. „Wir bieten 90 Minuten Fußball und 30 Tage Urlaub“, lockt Jordaan die Besucher aus Übersee.
Im Kern der südafrikanischen Bewerbung allerdings steht ein emotionales Argument, dessen Überzeugungskraft sich noch erweisen muss: Die Welt schuldet Afrika eine Fußball-WM. Obwohl Südafrika bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2004 im September 1997 mit genau dem gleichen vermeintlichen Trumpf eine böse Überraschung erleben musste, setzt man nun auch beim Fußball alles auf die Afrika-Karte und weiß dabei den Kontinent hinter sich. „Wir als Afrikaner haben – gemeinsam mit der Fifa – die Pflicht, Millionen von jungen Afrikanern ihren Traum zu verwirklichen, den Kontinent zu einem Fußballparadies zu machen“, mahnt Präsident Thabo Mbeki.
„Viele Helden in Afrika sind Fußballer, und für viele arme Afrikaner ist Fußball eine Zukunftschance“, pflichtet ihm Jordaan bei. Ein Teil des Profits aus der WM soll deshalb einem afrikaweiten Ausbildungsprogramm für junge Fußballer zugute kommen. Auch in der Fifa selbst haben die Afrikaner einen mächtigen Verbündeten. Sepp Blatter wurde vor zwei Jahren nur mit deren Stimmen und dem Versprechen zum Vorsitzenden gewählt, die Meisterschaft in Afrika zu unterstützen.
Tatsächlich ist unter Schwarzen in ganz Afrika die Fußballbegeisterung groß, auch im potenziellen Gastgeberland. Umfagen zufolge stehen 80 Prozent der Südafrikaner bis hinauf in die Regierung geschlossen hinter der Bewerbung, Kritik daran gibt es so gut wie keine. Allerdings liegt hier auch einer der größten Schwachpunkte Südafrikas: Zwar ist der Patriotismus, geht es um die eigene Mannschaft, kaum zu bremsen. Bei der 1996 erstmals in Südafrika ausgetragenen Afrika-Meisterschaft aber spielten selbst Favoriten vor gähnend leeren Rängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen