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Vom Recht auf keine Prügel

■ Gesetzentwurf für alleinige Wohnungsnutzung für misshandelte Frauen / Gewaltfreie Erziehung im BGB

Kinder haben ein Recht auf eine Erziehung ohne Prügel. Frauen, die von Freund oder Mann geschlagen werden, haben Anspruch auf die gemeinsame Wohnung. Das ist die Essenz zweier Gesetze. Ersteres ist seit Donnerstag Abend Realität, als der Bundestag es mit den Stimmen von SPD, Grünen, PDS und FDP verabschiedet hat. Letzteres existiert bisher nur als so genannter Referentenentwurf aus dem Hause der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

Die Verbindung zwischen beiden Rechtswerken war am Donnerstag Abend ein Handy. Das lag auf dem Tisch vor Christian Arns in der Bremer Angestelltenkammer und sollte klingeln und Däubler-Gmelins Pressesprecher die Nachricht überbringen, das erste Gesetz sei durch, während er die Pläne für das zweite in der Hansestadt vorstellte. Es klingelte schließlich, wenn auch erst beim Bier danach.

16 Frauen und ein Mann waren in die Angestelltenkammer gekommen. Sämtlich Frauen vom Fach: von Frauenhäusern, der Staatsanwaltschaft, dem sozialpsychologischen Dienst oder Beratungsstellen. Und der Mann war Jurist.

Sah das Bürgerliche Gesetzbuch auch bisher vor, dass Misshandlungen unzulässig seien, so ist das eigenständige Recht des Kindes auf Gewaltfreiheit neu. „Bewusstseinsänderung“ sei das Ziel, erklärt Arns, ein neuer Straftatbestand sei damit nicht gegeben. Anders das angestrebte Gesetz zur Gewalt gegen Frauen, das augenfälligere Konsequenzen haben soll. Wann der Entwurf in den Bundestag eingebracht wird, so Arns, sei noch nicht klar. „Ehemann schlägt Ehefrau, Frau flieht ins Frauenhaus“, skizzierte Arns einen häufigen Fall. Sprachen die Zivilgerichte der Frau die gemeinsame Wohnung bisher nur bei „schwerer Härte“ zur alleinigen Nutzung zu, so reicht fortan auch die „unbillige Härte“. Damit sei die Schwelle viel niedriger gelegt, erläuterte Arns Juristendeutsch. Dasselbe gilt für Nichtverheiratete. Sogar für den Fall, dass dem Täter die Wohnung gehört, kann das Gericht sie der Frau alleine zusprechen, für die Dauer bis zu einem Jahr. Hinzu kommt die Möglichkeit von Kontakt- und Annäherungsverboten, und das auch für „Stalking“-Opfer. „Stalking“ heißt „Anpirschen“ und meint Psychoterror aus verschmähter Liebe.

Schwierig, fanden die Frauen, sei die Beweislast. Wie beweisen, was eine Frau als Gewalt empfindet? Wie beweisen, dass der Mann trotz Kontaktverbot in der Nähe ist?

Was fehlt, da waren sich die Anwesenden einig, sei ein polizeiliches Wegweisungsrecht für die Zeit zwischen Schlägen und Gerichtsurteil auf alleinige Nutzung. Da konnte Arns nur auf die Innenminister verweisen, in deren Zuständigkeit das Polizeirecht fällt. Im Bremer Entwurf fehlt dieses Wegweisungsrecht noch, die SPD hat Innensenator Bernt Schulte aufgefordert, die Polizei – ähnlich wie in Baden-Württemberg – versuchsweise damit auszustatten. sgi

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