: Millionen tanzen in die Kassen
Alle wissen es, aber niemand redet gern darüber: Die Love Parade ist ein Riesengeschäft. Nicht nur für die Veranstalter und die Sponsoren, sondern auch für die Stadt. Sie profitiert von Umsätzen und erzielt einen Imagegewinn für die Tourismusbranche
von RICHARD ROTHER
Zahlen sind bei der Love Parade ein Geheimnis. Zumindest, wenn es um Märker und nicht um Menschen geht. Eines ist klar: Bis zu 1,5 Millionen Menschen erwarten die Veranstalter der größten Techno-Party der Welt. Darauf sind die Organisatoren der politischen Demonstration stolz. Denn die One-World-One-Love-Parade-Raver bringen nicht nur viel Spaß, sondern – wie auch die Party-Sponsoren – viel Geld mit. Wie viel davon in die Taschen der Veranstalter der politischen Demonstration fließen – darüber schweigen sich Doktor Motte & Co beharrlich aus.
Über Geld redet man nicht, Geld hat man. Love Parade-Sprecher Eric Nitzsche weiß davon ein Lied zu singen: „Es gehört ins Reich der Legenden, dass die Love Parade eine Gelddruckmaschine ist.“ So ein Riesen-Event müsse aber professionell vorbereitet werden und benötige eine solide finanzielle Basis. Das Unternehmen Love Parade braucht laut Nitzsche 1,7 Millionen Mark: für Veranstaltungstechnik, Büro- und Personalkosten. 55 Mitarbeiter sind zur Zeit im Kernteam der Plantetcom GmbH beschäftigt. Die wiederum wurde von der Love Parade Berlin GmbH beauftragt, das Spektakel durchzuführen. Letztlich laufen bei der Love Parade Berlin Gmbh, die nach Nitzsches Angaben nur aus drei, vier Leuten besteht, die Fäden zusammen. Das Kapital der Firma: der Markenname Love Parade. Der Name wurde geschützt, damit ihn nur seine Erfinder vermarkten können. Nitzsche: „Die Begehrlichkeiten sind riesig.“
Das überrascht nicht, denn bei allem, wo Love Parade draufsteht, verdienen die Veranstalter mit: bei diversen Kult-Kleidungsstücken und der Love Parade-CD. 80.000 bis 100.000 Stück gingen davon letztes Jahr über die Ladentische.Weitere Einnahmequellen sind die Startgebühren der Wagen, Lizenzgebühren für TV-Übertragungsrechte und vor allem die Sponsorengelder.
Kampftag für Verkäufer
Ein regelrechter Verkaufsfeldzug startet in diesem Jahr auf der Parade. „Das ist ein Großkampftag“, sagt von Viola Foote von der Merchandising Firma Sunburst, die das Love-Parade-Logo seit 1997 exklusiv vermarktet. Mit 160 Verkäufern sind 30 mehr als im vergangenen Jahr im Einsatz, verschiedene Kleidungsstücke an die Mädchen und Jungens zu bringen. Ungewöhnlich auch die Kollektion, die Sunburst extra für diesen Tag entworfen hat: Statt der vier oder fünf Teile, die bei anderen Events üblich sind, wurden diesmal elf verschiedenen kreiert: vom Kopftuch für 10 Mark über das Spaghetti-Top für 30 Mark bis zur Techno-Weste für 75 Mark. Foote: „Schließlich wollen wir das Ergebnis vom letzten Jahr toppen.“ Rund eine Million Mark Umsatz wurde 1999 erzielt. Branchenüblich ist, dass Rechte-Inhaber davon 10 bis 15 Prozent kassieren.
Eine weitere Einnahmequelle sind die Fernsehrechte. Während der Sender Freies Berlin nach Angaben des Love-Parade-Sprechers Nitzsche nichts dafür zahlen muss, Bilder einer öffentlichen Demonstration übertragen zu dürfen, zahlen Viva und RTL 2 „kleinere Lizenzsummen“. Die Höhen sind top secret. Dazu kommen die Startgebühren der der Musiktrucks. In diesem Jahr will die Love Parade back to the roots: Wagen sollen nur Techno-Läden haben dürfen, politische Parteien und Firmen sind ausgeschlossen – außer den Sponsoren. 50 Wagen sind diesmal zugelassen, die Veranstalter kassieren dafür nach eigenen Angaben 5.000 Mark pro Truck.
Den größten Batzen machen aber die Gelder der Sponsoren aus. Drei Hauptsponsoren hat die Love Parade in diesem Jahr: T-D 1, Fanta und der Stuttgarter Musikanbieter eJay. Fanta wollte in eigentlich einen Teil des Caterings übernehmen. Dann hätte es an 0,2-Liter-Getränke für 80 Pfennig gegeben, sagen die Veranstalter. „Wir wollen, dass die Sponsoren ein Benefit für die Party bringen“, betont Nitzsche. Allerdings dürfte bei einer Beteiligung des Caterings an Fanta auch höhere Sponsorensummen fällig geworden sein. Mindestens sechsstellig sei Betrag dennoch, sagt eine Firmensprecherin.
Der Bezirk Tiergarten, der wegen der Umweltbelastungen durch die Raver seit Jahren einen erbitterten Kampf gegen die Parade führt, hat der Love Parade ein Strich durch die Rechnung gemacht. Tiergarten hat das Geschäft mit der Versorgung der Raver an Caspar Catering vergeben. Die Firma beauftragte wiederum die Deutsche-Bahn-Tochter DB Gastronomie mit der Aufstellung der 150 Erfrischungsstände, an denen 800 Servicekräfte arbeiten. Dafür muss die Catering-Firma einen wesentlichen Beitrag für die Abfallbeseitigung leisten. Insider sprechen von rund 300.000 Mark.
Lukrative Durstlöscher
Planetcom hat gegen die Catering-Vergabe geklagt, ist aber mit einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Es sei nicht zu beanstanden, die Vergabe der Rechte von Fragen der Straßenreinigung und der Kostenbeteiligung abhängig zu machen, so die Richter. Indirekt bestätigen die Richter den kommerziellen Charakter der Love Parade: Angesichts der merkbaren Kritik der Öffentlichkeit an der Durchführung der Love Parade müsse „das Interesse der Antragstellerin (Planetcom, d.Red.) an bloßer Gewinnerzielung sich an diesen Kriterien messen lassen“. Fanta ist als einer der Hauptsponsoren aber nicht ganz aus dem Geschäft – die Stände werden immerhin mit den Coca-Cola-Produkten beliefert.
Der Stuttgarter Anbieter von Musiksoftware und interaktiver Musik, eJay, ist der offizielle Sponsor für Technik und Sound bei der Love Parade. „Wir wollen damit unsere Marke bekannt machen“, sagt Firmensprecher Michael Krenzle. Die Firma lässt sich das ganze einen sechsstelligen Betrag kosten; schließlich gingen die Bilder in alle Welt.
Pink dank Sponsoring
Der Hauptsponsor der Love Parade ist T-D 1. Die Mobilfunkfirma baut zwei große Video-Screens an der Siegessäule, auf denen sich die Raver selbst beim Tanzen zugucken können. 1,5 Millionen mögliche Handy-Kunden seien ein beachtliches Potenzial, sagt ein Firmensprecher. Wie haarklein die Love Parade durchgeplant ist, zeigt ein farbliches Detail: das Love-Parade-Sonderticket der Berliner Verkehrsbetriebe, ein Kunstoffarmband, ist just im gleichen Farbton gehalten, der auch die T-Mobil-Werbung ziert – pink. So pink wie die diversen T-Shirts, die auf der Liebesparade verkauft werden. Diese Omnipräsenz ist nicht billig. Offiziell werden bei der Telekom-Tochter keine Zahlen genannt. Rund 3 Millionen Mark koste das Love-Parade-Engagement, heißt es in Firmenkreisen – ein Drittel davon gehe an die Veranstalter.
Kenner der Szene gehen davon aus, dass die Love Parade insgesamt Umsätze von bis zu 5 Millionen Mark erzielt, rund 20 Prozent blieben als Gewinn. Auch Firmensprecher Nitzsche erwartet „ein bisschen Überschuss“.
Vom Unternehmen Love Parade profitiert allerdings die Stadt am meisten. Rund 250 Millionen Mark an Kaufkraftzufluss erwartet die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) durch die Love Parade. Davon verbleiben dem Land und Kommune deutlich mehr als 10 Millionen Mark an Einnahmen allein durch die Mehrwertsteuer. Dabei sind weitere Steuereinnahmen, die etwa durch positive Arbeitsplatzeffekte entstehen können, noch gar nicht eingerechnet. Dass sich das Land da an den Kosten für die Müllbeseitigung und zur Sanierung des Tiergartens beteiligen sollte – dieses Lieblingsargument der Veranstalter ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Die Landeskasse klingelt
Ökonomisch gesehen ist die Love Parade, die als politische Demonstration angemeldet wird, also eine klassische Win-win-Situation zwischen einer privatwirtschaftlichen Initiative und der Öffentlichkeit. Berlin bleiben nicht nur die direkten Einnahmen durch die erwarteten eine Million Besucher von außerhalb, sondern vor allem ein enormer Image-Gewinn. „Der ist mit Werbung nicht zu bezahlen“, sagt ein BTM-Sprecherin. Schließlich setzt Berlin setzt verstärkt auf Tourismus, der mit 30 Prozent enorme Zuwachsraten erzielt und schon fünftstärkster Wirtschaftszweig der Hauptstadt ist. In einer Stadt, die trotz Regierungsumzug und New-Economy-Euphorie nach wie vor Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum ist, ist das einiges wert. Kein Wunder, dass die politische Diskussion um die Parade diesmal nicht hochgekocht ist. Die Berliner finden die Partydemo okay oder haben sich daran gewöhnt: Business as usual.
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