: Gelungene Machtdemonstration
Mit der Verfassungsänderung zugunsten einer erneuten Präsidialkandidatur hat Slobodan Milošević den Serben wieder gezeigt, wer Herr im Hause ist. Der Coup dürfte die Beziehungen zu Montenegro kaum verschlechtern. Die sind ohnehin ruiniert
aus Belgrad ANDREJ IVANJI
So einfach geht das: Das Mandat des jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Milošević sollte im Juni 2001 auslaufen – ohne eine Möglichkeit zur Wiederwahl. So ordnete der starke Mann Serbiens an, die Verfassung gemäß seinem Wunsch zurechtzubiegen. Seine Gefolgsleute, die das Bundesparlament dominieren, gehorchten. Der Bundespräsident soll nun vom Volk und nicht wie bisher vom Parlament gewählt werden. Damit darf Milošević erneut für das höchste Amt im Lande kandidieren.
„Anstatt sich der Verfassung anzupassen, passt sich Milošević die Verfassung an“, erklärte Vladeta Janković, Abgeordneter der „Demokratischen Partei Serbiens“. Und Vladan Batić, Chef der christlich-demokratischen Partei, meinte, die Bundesrepublik Jugoslawien sei nun „auch formal „in eine „autokratische Despotie“ verwandelt worden.
Doch wieder einmal hat Milošević die serbische Opposition auf dem falschen Fuß erwischt. Hoffnungslos zerstritten, schaffen es die Oppositionsführer nicht, dem Unmut des Volkes eine konkrete Richtung zu geben, und beschränken ihren Kampf gegen das Regime auf empörte Verkündungen. Das weiß Milošević nur zu gut. Die blitzartige Reform der Verfassung – viele Abgeordnete wussten vor der Sitzung nicht mal, worum es geht – war eine gelungene Machtdemonstration. Milošević wollte zeigen, wer Herr im Haus ist, und dass er vorhat, der internationalen Gemeinschaft und seinen innenpolitischen Gegnern zum Trotz, es noch lange zu bleiben. Er hat wieder bewiesen, wie geschickt er die Institutionen des Staates manipulieren kann.
Im Gegensatz zur ohnmächtigen serbischen Opposition hat die prowestlich orientierte Regierung der neben Serbien zweiten jugoslawischen Teilrepublik Montenegro sowohl den Willen, als auch die Mittel, sich Milošević zu widersetzen. Obwohl die Adriarepublik nur rund 600.000, Serbien dagegen rund 10 Millionen Einwohner hat, garantiert die jugoslawische Verfassung bisher die Gleichberechtigung beider Republiken. Eine Direktwahl des Bundespräsidenten und der Abgeordneten für die Kammer der Republiken im Bundesparlament, wie es die veränderte Verfassung vorsieht, zwingt Montenegro eine untergebene Rolle auf.
„Die Verfassungsreform, die im illegitimen Bundesparlament verkündet worden ist, ist ein formaler Gewaltakt gegenüber der schon nicht mehr existierenden Bundesrepublik Jugoslawien“, so Miodrag Vuković, Berater des montenegrinischen Präsidenten. Milošević wolle seinen Privatstaat schaffen und das parlamentarische durch ein Präsidialsystem ersetzen. Die montenegrinischen Abgeordneten im Bundesparlament seien Milošević’ Getreue, die der föderalen Farce den Anschein der Legalität geben sollten. Sie seien nicht vom montenegrinischen Parlament delegiert worden, daher würde Montenegro die Bundesinstitutionen nicht anerkennen.
Die Föderation zwischen Serbien und Montenegro existiert ohnehin seit Jahren nur auf dem Papier. Es gibt keinen freien Warenverkehr, keine Bankverbindung, die Grenze wird von serbischen Polizisten kontrolliert, Autos und Passagiere vom Zoll untersucht. Montenegro hat die D-Mark als Parallelwährung eingeführt, führt eine selbstständige Außenpolitik und erkennt die Bundesgesetze nicht an. So ist davon auszugehen, dass die jüngste Verfassungsreform, die im Grunde nur die Fortsetzung von Milošević’ Herrschaft in Serbien legalisieren soll, kein Anlass für eine weitere Belastung der Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro sein wird.
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