Nicht die gesamte deutsche Nation ist aus dem Häuschen. Einige taz-LeserInnen meinen:: Es reicht mit dem Fußballgedöns
betr.: „Deutschland wird Kaiserreich“, taz vom 7. 7. 00
Und wieder einmal ist die bundesrepublikanische Öffentlichkeit besoffen vor Glück: 2006 findet die Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Wie gut, denn derzeit kann man in Deutschland nicht mehr ordentlich international Fußball spielen und von daher ist es wirklich nützlich, sich nicht selber qualifizieren zu müssen.
[...] Hat sich eigentlich bei dieser Jubelorgie irgend jemand einmal darüber Gedanken gemacht, was die Vergabe an Südafrika für dieses Land bedeutet hätte? In Südafrika gibt es Regionen (und das hat etwas mit der Hautfarbe derer zu tun, die in so einer Region leben) mit bis zu 50 Prozent Arbeitslosen. Das Land wird von Not und Gewalt gebeutelt, Folge einer Unrechtsentwicklung, die durch Weiße verschuldet wurde. Wäre es nicht Aufgabe der in der Fifa vertretenen Nationen gewesen, mittels einer solchen Vergabe und des damit verbundenen Investitionsschubs wenigstens einen ganz kleinen Teil der Schuld abzutragen, die das weiße Europa dort auf sich geladen hat?
Nein – der Tanz um das goldene Kalb – das nackte Profitinteresse hat wieder einmal gesiegt, wenn auch mit der denkbar kleinsten Differenz von einer Stimme. Das sollte zu denken geben.
HILDEGARDE LISSE, Aachen
Jetzt reicht’s aber mit diesem Fußballgedöns. Kicken aus Spaß und zur Gesunderhaltung akzeptiere ich ja noch, aber als Wettkampfsport unter den Nationen? Also Kriegsersatz zum Anschauen und Aufgeilen? Braucht das der intelligente Zweibeiner, auch wenn es noch so unerträglich und kostengünstig ist?
Ich meine, Deutschland hätte wirklich auf diese Bewerbung verzichten sollen und mit dem Geld und seinem sprichwörtlichen „Organisationstalent“ Südafrika unterstützen sollen. Es gäbe nicht mal eine Zeitverschiebung, lieber Dieter Hildebrandt! Dann wäre noch Menschlichkeit dazugekommen.
Der Jubel der konservativen und nationalistischen Stammtischrunden über den Zuschlag an die BRD übersieht, dass bei so einem Ereignis meistens Ausländer einreisen. Immerhin werden täglich Ausländer in Deutschland belästigt, verprügelt und ermordet, und Parteien gewinnen Wahlen mit ausländerfeindlichen Parolen.
Dürfen die „Gäste“ in Bayern oder Sachsen außerhalb ihrer „Arbeitszeit“ frei die Stadt anschauen oder ins Freibad gehn? Werden sie nicht beschimpft oder zusammengeschlagen? Die staatlich geduldete und zumindest verbal geförderte Ausländerfeindlichkeit sollten wir erst mal in den Griff kriegen. Die grauen, reaktionären Figuren des deutschen Fußballbundes sprechen bestimmt nicht für ein tolerantes und weltoffenes Deutschland!
LUDWIG BERGER , Buchen
Finden Sie auch, dass Sie Übertreibungen, die der Regenbogenpresse besser zu Gesicht stehen, vermeiden sollten?
Ich vermag Ihre Titelaussage „Die deutsche Nation ist aus dem Häuschen“, nun wirklich nicht nachzuvollziehen. Ich gehöre zur deutschen Nation und mich interessiert auch nicht die Namensliste derjenigen, die direkt oder indirekt an dem Fußballgeschäft verdienen. Dagegen klingt die Überschrift auf Seite drei, „Balsam für wunde Fußballseelen“, schon versöhnlicher, obschon damit keine Aufwertung der verlorenen EM verbunden ist und schon gar nicht der Weltmeistertitel in die Nähe gerückt ist. Bevor Sie das nächste Mal von der deutschen Nation Definitives aussagen, sollten Sie bitte auch mich befragen. Bitte, bleiben Sie bei Ihrer differenzierten, realistischen Berichterstattung!
HEINRICH KREY, Erkrath
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