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Kabilas Chefhetzer

Weil er 1998 dazu aufrief, Ruander als „Ungeziefer“ zu jagen, hat Belgien gegen Kongos Außenminister Abdoulaye Yerodia Haftbefehl erlassen

Abdoulaye Yerodia, Außenminister der Demokratischen Republik Kongo, muss sich nach einem neuen Job umsehen. Ein Richter in Belgien hat gegen ihn aufgrund einer Klage von 19 im Exil lebenden Tutsi-Familien einen internationalen Haftbefehl wegen „kriminellen Verstößen gegen das Völkerrecht“ erlassen. Damit kann der Außenminister nur noch auf eigene Gefahr ins Ausland reisen.

Yerodia, so die Beschuldigung, rief zu Beginn des Kongokrieges im August 1998 zum Rassenhass und zum Mord an Kongos ruandischstämmigen Tutsi auf. Das ist unzweifelhaft wahr: Als damals die noch frische Rebellion gegen Kongos Präsidenten Laurent Kabila unter Unterstützung Ruandas die Hauptstadt Kinshasa ergriff, sagte Yerodia, damals Kabinettsdirektor Kabilas, über die Ruander: „Wir werden ihnen die Kehle durchschneiden“ (taz vom 14. 8. 98). Die Bilder, wie daraufhin ruandische Bewohner Kinshasas vor laufenden TV-Kameras gelyncht wurden, gingen um die Welt.

Heute dementiert Yerodia nur halb. „Ich sagte damals: Angesichts dieser hinterlistigen Aggression muss das kongolesische Volk dieses Ungeziefer der Aggressoren ausrotten“, erklärte er nach Bekanntwerden des Haftbefehls. „Ich verdammte die Aggressoren, nicht eine bestimmte Rasse.“ Doch jeder wusste, wen Yerodia meinte, als er im August 1998 wiederholt vom „Ungeziefer, das den Körper unserer Nation vergiftet“, sprach und auch vor ausländischen Journalisten solche Begriffe wiederholte.

Wie man mit Worten maximale Wirkung erzielt, weiß Yerodia. Er war einmal Psychologieprofessor an der Pariser Sorbonne. Ein alter Kompagnon Kabilas aus den 60er-Jahren, ging Abdoulaye Yerodia Ndombassi später ins französische Exil und geriet in den Sog von Jacques Lacan und anderer freudianisch-marxistischer Intellektueller. Der Sohn einer kongolesischen Mutter und eines senegalesischen Vaters schloss sich 1997 Kabilas Rebellion gegen Mobutu an und wurde Anfang 1998 mit dem Posten des Kabinettschefs belohnt. Später stieg er zum Außenminister auf. Seine Redegewandtheit hat ihm in Kinshasa den Spitznamen „Humorist des Staates“ gebracht. In Brüssel wird spekuliert, dass der Haftbefehl die Annäherungspolitik des belgischen Außenministers an Kinshasa torpedieren soll. In Kinshasa wiederum tobt die Presse, die Regierung hat ihren Botschafter aus Brüssel zurückgerufen. Und da Kabilas Getreue ohne grünes Licht des Präsidenten Kinshasa im Allgemeinen nicht verlassen dürfen, liegt Yerodias Schicksal in Kabilas Hand.

DOMINIC JOHNSON

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