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Goldene Brücke für Chatami

Während am Brandenburger Tor tausende Menschen gegen den Besuch des iranischen Präsidenten protestieren, schweigt Kanzler Schröder zu den Menschenrechten im Iran. Chatami dankt es ihm

BERLIN taz ■ Die Appelle waren vergebens, der Kanzler brachte die Zähne nicht auseinander. Bei seinem einzigen öffentlichen Auftritt mit dem iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami hat Bundeskanzler Gerhard Schröder das Wort „Menschenrechte“ nicht einmal in den Mund genommen. „Selbstverständlich haben wir auch über Fragen gesprochen, bei denen wir noch auseinander sind“, war die direkteste Formulierung, zu der Schröder nach seiner rund zweieinhalbstündigen Unterredung mit Chatami fand.

Damit bewahrheiteten sich Befürchtungen von Menschenrechtsgruppen, Schriftstellern und Religionsvertretern. Auch die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Claudia Roth (Grüne), hatte am Montag in der taz gefordert, Schröder müsse die Menschenrechte öffentlich thematisieren.

Um den Eindruck zu vermeiden, es werde bereitwilliger Auskunft zu der Getränkeauswahl beim Mittagessen der beiden Politiker gegeben (Wasser, Orangen-, Kiwi- und Grapefruitsaft), streute die Delegation des Bundeskanzlers hinterher, die Pressekonferenz spiegele nicht den Verlauf der Gespräche hinter verschlossenen Türen wieder. Schröder habe die Menschenrechte „sehr konkret“ thematisiert. In einem halbstündigen Vier-Augen-Gespräch soll es um die Fälle der iranischen Juden gegangen sein, die kürzlich wegen Spionage für Israel verurteilt wurden, sowie die Intellektuellen, die nach einer Berliner Konferenz der Grünen-nahen Böll-Stiftung verhaftet wurden.

Chatami äußerte sich auf Fragen zu den Protesten gegen seinen Besuch, an denen gestern laut Polizei 7.000 Menschen teilnahmen. „Ich heiße es gut, wenn man gegen die Regierung protestiert, wer auch immer gerade die Regierung ist“, sagte der Präsident. Manche im Ausland tätigen Organisationen seien aber gewalttätig, „und gerade einen Präsidenten, der angefangen hat, Reformen einzuleiten, bekämpfen sie am meisten“. Die Demonstrationen in Berlin blieben bis Redaktionsschluss friedlich.

Als Ergebnis seines Besuchs stellte Chatami die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Teheran in Aussicht. Schröder erklärte, der Rahmen für Hermes-Bürgschaften werde von 200 Millionen auf eine Milliarde Mark erhöht, die gemeinsame Wirtschaftskommission werde ihre Arbeit wieder aufnehmen und ein brachliegendes Kulturabkommen wieder belebt.

PATRIK SCHWARZ

inland SEITE 6, debatte SEITE 12,berlin SEITE 19

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