die stimme der kritik
: Betr.: Nachruf auf Juhnke und Oasis

Die größten Entertainer-Mumien der Welt

Konfrontiert mit der traurigen Nachricht des gestrigen Tages („Juhnke wieder Wodka“) und sich daraus ableitenden Konsequenzen (diesmal alles aus?), bleibt einem praktisch nichts anderes übrig, als an die Rockband Oasis zu denken. Fast täglich stellt irgendjemand die Frage: Sind Oasis am Ende (also: Lösen sie sich auf)? Fast täglich liefern die Brüder Gallagher Schlagzeilen von Juhnke-Qualität. Liam (der Sänger) wird von Noel (dem „Denker“) verlassen (fluchend). Noel kehrt zurück (auch fluchend). Liam wird von seiner Frau Patsy Kensit verlassen (natürlich mächtig fluchend) usw. Zu letzterem Vorfall Folgendes: Wer ein echter Rockstar sein will, der muss quasi kraft seines Amtes Saufen, Bumsen, Blasen lassen usw. Das ist wie beim Papst (nur andersherum). Und nun zur wahren Tragödie: Oasis, fünf Lads aus Manchester (England), waren einmal die größte Rock-’n’-Roll-Band der Welt. Diese Band hatte – im Rahmen ihres weißen Biersaufrock-Spektrums – ähem, kulturelle Signifikanz. Nun ist die ganze britische Lad-Bewegung um Oasis herum abgeschwollen. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Die Wahrheit ist: Das letzte Album („Standing on the Shoulder of Giants“), die neuen Singles (zuletzt: „Sunday Morning Call“) sind, ja was? Vorsichtig formuliert: nicht mehr von Belang. Die größte Band der Welt ist nicht mehr auch, sondern ausschließlich wegen ihres Trash-Aspekts relevant. Für die Bild und die Vermischtes-Seiten. Darin unterscheidet Oasis sich um kein Haar von Juhnke. Den hat Bild in bewundernswerter analytischer Schärfe gestern nicht den „großen Schauspieler“, sondern „unsern größten Entertainer“ genannt. Das heißt: Es war höchste Zeit, mal wieder den Schnaps rauszuholen.

Also: Ja. Oasis sind am Ende. Ihre Kunst war kurz. Aber das muss nicht heißen, dass sie als Entertainer-Mumien nicht noch ewig rumhängen könnten. Eines darf freilich in all der Tristesse nicht übersehen werden: Die Zuckerschnecke Patsy Kensit ist wieder zu haben. PETER UNFRIED