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Mehr Frauen auf den Markt

Der Wirtschaftsminister glaubt, dass sich „Geschlechtergerechtigkeit“ von selbst einstellt: In zehn Jahren werden Uni-Abgängerinnen die Führungsetagen erobern. Die Realität: Derzeit ist nur jede dreizehnte Chefstelle von einer Frau besetzt

von UDO BALDERT

Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) zögert beim Gleichstellungsgesetz. Firmenneugründungen in Deutschland werden nur zu 20 Prozent von Frauen durchgeführt. In den Führungspositionen der Wirtschaft sind Frauen mit 6 Prozent immer noch stark unterrepräsentiert. Die Telekom hat kein Problem damit, in ganzseitigen Anzeigen mit Abbildungen ihres frauenfreien Vorstands zu werben; bei anderen großen Unternehmen sieht es genauso aus.

Dennoch zögert Bundeswirtschaftsminister Werner Müller weiterhin, die Gleichstellung der Geschlechter durch gesetzliche Regelungen zu forcieren. So viel wurde am Dienstag deutlich, als der Minister auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin über Gleichstellungsstrategien in der Wirtschaft diskutierte. Seine Diskussionspartnerin war debis-Managerin Katharina Heuer. Sie vertrat die Sichtweise einer weiblichen Führungskraft in der Privatwirtschaft.

Die Zahlen sind eindeutig: Bei debis übersteigt der Anteil von Frauen in Führungspositionen nicht die 6 Prozent, beim Wirtschaftsministerium sind es immerhin 9 Prozent. Für den Minister ist klar: Es gibt zu wenige Frauen, die sich bewerben. Um Abhilfe zu schaffen, plädiert Müller für moralischen Druck durch Firmen, die mit der Gleichstellung Ernst machen. Erst als letztes Mittel möchte er zu einem Gesetz greifen.

Bei der debis AG werden immerhin 30 bis 40 Prozent aller Bewerbungen von Frauen eingereicht. Rund ein Drittel der Beschäftigten in der Firma sind Frauen. Bei der Personalauswahl sind Frauen besonders gefragt. Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft begünstige Geschlechtergerechtigkeit, so Heuer. Der Grund: Hier nehmen nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter eine entscheidende Stellung ein. Das ermöglicht ihnen mehr Einfluss als in der traditionellen Wirtschaft.

Einig mit dem Minister und den führenden Wirtschaftsverbänden ist sich aber auch Heuer in der Ablehnung eines gesetzlichen Eingriffs in das freie Spiel der Wirtschaft. Sowohl Müller als auch Heuer glauben, dass sich das Problem durch steigende weibliche Absolventenzahlen an den Universitäten auf demografische Weise in spätestens zehn Jahren von selbst lösen wird. Heuer prophezeit, dass es bereits in zwei Jahren einschneidende Veränderungen geben werde. Müllers Überzeugung: „Ein Gleichstellungsgesetz, das nicht innerlich akzeptiert wird, wird auch nicht innerlich gelebt.“

So bleibt das wirklich Neue die Tatsache, dass sich ein männlicher Politiker wie Müller überhaupt den kritischen Fragen eines überwiegend weiblichen Publikums stellt. Deutlich wurde bei der Diskussion auch: Die Vorstellung einer „Geschlechterdemokratie“, also die Einbeziehung von Männern in den Veränderunsgprozess, spielt noch keine große Rolle. Und auch der analoge Begriff des „Gender-Mainstreaming“ wird, fünf Jahre nach seiner Verankerung als verbindliche EU-Richtlinie im Amsterdamer Vertrag, noch immer weitgehend ignoriert. Als umfassender Ansatz, die strukturelle Benachteiligung von Frauen durch systematische Veränderungen auf allen Politikebenen abzuschaffen, gerät Gender-Mainstreaming zudem in Gefahr, mit bloßer Frauenförderung verwechselt zu werden.

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