: Hochhaus-Monster mit rötlichen Punkten
■ Wenn sich Glasdächer in elegant schlingernde Fische verwandeln: Die bizarr verzerrten, halb-lebendigen Architekturfotos des Klaus Kumrow
Architektur prägt zwar den Alltag der Stadt, doch meist dominiert dabei die straßenraumbegrenzende Fassade oder der Gebrauchszweck für die Nutzer. Wenn die Architektenzunft ihre Bauideen vermitteln will, ist sie aber nach wie vor auf Pläne und Modelle angewiesen.
Dass Künstler zur Darstellung der Essenz einer Architektengruppe völlig freie Hand bekommen, ist eher selten. In der Schweiz haben damit die Erfolgsarchitekten Herzog und de Meuron gute Erfahrungen gemacht, hier präsentiert sich zum Hamburger Architektur Sommer das Büro Bothe, Richter, Theherani (BRT) durch Fotoarbeiten des Hamburger Künstlers Klaus Kumrow.
Fotografie ist ja ohnehin ein Arbeitsmittel der Architekten. Das meint nicht die Darstellung der fertigen Bauwerke, sondern die Verwendung von Montagen und Modellfotos. BRT war zudem eines der ersten Büros mit konsequenter Anwendung der Computer-Animation für seine teils futuristischen Entwürfe. In Hamburg am bekanntesten dürfte davon das „Doppel-XX-Haus“ in der City-Süd mit seiner Glashaut über einer gegenläufigen Binnenstruktur sein, auch das im Bau befindliche Bürohaus Berliner Tor mit seinen charakteristischen Bogenformen ist schon aufgrund seiner prominenten Lage allgemein auffällig.
Nun wäre es nicht die Art des Künstlers Klaus Kumrow, herumzureisen und Gebäude abzufotografieren. Der 1959 in Hannover geborene, in Hamburg lebende und 1997 mit dem Edwin-Scharff-Preis, Hamburgs höchstem Kunstpreis, ausgezeichnete Künstler hat sich in 200 Fotos vielmehr mit der Realitätsebene des bereits Dokumentierten befasst und die Architekturbilder aus den realen und virtuellen Schubladen des Büros BRT zum Ausgangsmaterial seiner Bearbeitungen gemacht. Dabei hat er die Oberfläche der Großdias wie Spiegel verzerrt, neue Lichteffekte hinzugefügt und so dem den Architekturraum darstellenden Bild erneut zu einem eigenen, plastischen Bildraum verholfen. Eine Auswahl von 24 der so entstandenen großformatigen Visionen von Architektur wird derzeit in der Ausstellung am Klosterwall gezeigt. Die Wiedergabe einer solchermaßen technisch gefilterten Perspektive ist eine konsequente Vorgehensweise bei einem Künstler, dessen frühe Arbeiten gerne für Architekturmodelle gehalten wurden, der – genau wie die Architekten – gerne Glas einsetzt, und der fast immer mit gebrochenen Raumstrukturen arbeitet. Wenn Klaus Kumrow Flaschen zersägt und neu montiert, ist das ein Umgang mit Raum, der zudem manchen dekonstruktivistischen Ideen von BRT, wie dem Entwurf für die Duisburger „Multi Casa“ durchaus ähnlich ist.
Auch wenn die fotografische Wiedergabe der Architektur durch Klaus Kumrow verschlüsselt ist, ihre Idee aber ist um so deutlicher: Es geht in der Parallele von Architektur und Fotokunst, wie es Stephan Schmidt-Wulffen im Katalog auf den Punkt bringt, um „das Leuchten“. Zumindest für alle diejenigen, die nicht selbst im großen Architekturbetrieb mitmischen und deshalb lieber Grundrisspläne studieren, ist sie eine der imaginativs-ten Ausstellungen des Hamburg Architektur Sommers. Hajo Schiff
BRT by Kumrow, Galerie Barlach Halle K, Klosterwall 13, Di - Fr 12 - 19, Sa + So 11 - 21 Uhr, bis 13. August. Katalog 38 Mark.
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