piwik no script img

Ein Hochhaus gegen die Langeweile

■ Architekt Klumpp will in Bremen „Unverwechselbares“ schaffen / Chef des Planungsamtes: Das wäre „Horizont-Verschmutzung“ / Steht die „Schönheit der Stadt“ auf dem Spiel?

„Sie fahren doch nicht nach Bremen, um sich den herrlichen Teerhof anzusehen“., sagt der Architekt Thomas Klumpp mit böse ironischem Unterton. Klumpp hat sein Büro an der Schlachte und muss jeden Tag auf die eintönige Fassaden-Front der Insel im Herzen der Stadt blicken, wenn er aus dem Fenster schaut. „Die Mittelmäßigkeit ist hier zur Qualität und zum Prinzip entwickelt worden“, sagt er zu Bremens Stadtgestaltung. Das von ihm geplante „Universum“ gilt heute schon als Attraktion im wörtlichen Sinne, als vorzeigbares Stück einer besonderen Architektur. Wenn es nach dem Leiter des Bremer Planungsamtes, Detlef Kniemeyer, gegangen wäre, dann gäbe es diesen auftauchenden Wal nicht. Als der nicht mehr zu verhindern war, hatte Kniemeyer die Frage aufgeworfen, ob es nicht billiger sei, wenn der große Baukörper auf schlichtem Rasen liegen würden anstatt aus einer spiegelnden Wasserfläche aufzutauchen.

Klumpps neuestes Projekt bezieht sich auf das Siemens-Hochhaus am Bahnhof. Mit sechs oder acht Stockwerken könnte es zu einem richtigen Hochhaus aufgewertet werden. Kniemeyer lehnt das als „Horizont-Verschmutzung“ ab. In der Tat, aus der Skyline der 14-geschossigen Hochhäuser (Gewoba-, Tivoli- und Bundeswehr-Hochhaus), die seit den 60er Jahren in Bremen entstanden sind, würde Klumpps Konzept für das Siemens-Haus hinausragen – nicht nur wegen der Geschosse, sondern auch wegen der extravaganten Gestalt, die Klumpp sich dort vorstellt. Die bisherigen Hochhäuser in der Umgebung des Bahnhofs sind alle schlicht und rechteckig. Das Modell, das das Planungsamt nach einem Zeitungsbericht angefertigt hat, sei keineswegs sein Vorschlag, sagt Klumpp. „Mit mir haben die nicht gesprochen, bevor sie ihr Modell gemacht haben“, sagt er. Das Modell sieht recht klobig aus und demonstriert vor allem eines: Von der Meierei aus verstellt das Siemens-Haus den Blick auf die Domtürme. Aber ist das ist in Bremen der Maßstab der Stadtgestaltung?

„Zuviel schlichte Zurückhaltung beim Bauen ist gleichbedeutend mit Unbedeutendheit, Langeweile und Durchschnittlichkeit“, hat Klumpp formuliert: „In Bremen wird noch zu viel Durchschnittlichkeit produziert.“ Beim Universum hat Klumpp seine Ideen durchsetzen können, wenn auch nur mit Abstrichen. Den See, in dem sich der Gebäudekörper für alle, die von der Stadt Richtung Universitätsgelände fahren, spiegeln soll, hätte er sich weit großzügiger gewünscht. Vor allem aber das „Universitäts-Gästehaus“ hatte Klumpp als Reihe von „Holzhäusern, die als Pfahlbauten über den Wiesen und Wassern“ stehen, geplant. „Leben ist nicht rechtwinklig, nicht geradlinig, nicht orthogonal geometrisch charakterisiert. Leben ist organisch, weich, fließend, gekrümmt und unregelmäßig geformt“, das ist seine Philosophie. „Die Bremer Stadtplanung hat das zunichte gemacht. Nun ist es sehr streng geworden“, stellt Klumpp fest. Der Verzicht „war der Preis, um überhaupt mit diesem Projekt weiterzukommen.“

Ob das mit dem Siemens-Hochhaus etwas wird, hängt nicht nur davon ab, ob der Bauherr, Kurt Zech, einen Mieter findet, der bereit ist, für die unverwechselbare Lage einen unverwechselbaren Preis zu zahlen. Es ist auch eine Frage der Stadtplanung. Der ehemalige Baustaatsrat Eberhard Kulenkampff hat sich mit einem Brief an die Baudeputation zu Wort gemeldet und daran erinnert, dass Bremens Hochhaus-Pläne in den 70er Jahren gestoppt wurden. „So konnte Bremen bis heute seine Maßstäblichkeit bewahren“ Mit der Aufstockung sieht er nun die „geplante Ordnung und die Schönheit der Stadt“ in Gefahr. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen