: Volksgetränk und Feine-Leute-Drink
Die Tequilastory ist eine Erfolgsgeschichte in zweierlei Hinsicht: zum einen als einer der meistverkauften mexikanischen Exportartikel gen Norden und nach Übersee, zum anderen auf dem heimischen Markt der Aufstieg vom einst geächteten „Volksgetränk“ zum begehrten Feine-Leute-Drink. Besonders nach dem Währungscrash Ende 1994 verdrängte der Agavenschnaps zunehmend die importierten Whiskey-, Rum- und Wodkasorten.
Und kursiert seit ein paar Jahren als weltweit geschützter Markenname: Mit dem Inkrafttreten des Ursprungsdekrets, das seit Mitte 1997 auch von der Europäischen Gemeinschaft anerkannt wurde, dürfen nur noch die Schnapsbrenner einer 178 Gemeinden umfassenden Region um die nordmexikanische Stadt Guadalajara ihr Produkt auch wirklich Tequila nennen. Voraussetzung ist, dass mindestens 51 Prozent des Alkohols aus dem Zucker der Weberagave gewonnen werden.
Damit soll sowohl den Pseudotequileros aus Spanien oder Griechenland wie auch den verwässerten Varianten aus den USA, die unter so klingenden Namen wie „Tarantula“ oder „Black Death“ kursieren, der Markt abgegraben werden. Die Produktion des mexikanischen Feuerwassers verdoppelte sich seit Beginn der Neunzigerjahre von knapp 90 auf 190 Millionen Liter im Jahr 1999.
Zwar wird davon immer noch mehr als die Hälfte in knapp hundert Länder der Welt exportiert, fast achtzig Millionen Liter allein in die USA, direkt gefolgt von Holland und Deutschland mit je um die drei Millionen Liter im Jahr. Früher lag der Anteil der Inlandsverkäufe jedoch nur bei einem Viertel der Gesamtproduktion.
Nirgendwo boomt der Tequila mehr als in seinem Herkunftsland. Knapp siebzig Destillerien sind im Tequiladistrikt – mit über sechzigtausend Hektar Agavefeldern – offiziell registriert, vom Kleinproduzenten mit einer Tagesproduktion von tausend Litern über Mittelständler mit 35.000 Litern bis hin zu Großproduzenten, die pro Tag über zweihunderttausend Liter fabrizieren. Weit unübersichtlicher gestaltet sich das Markenangebot: Waren es bis vor ein paar Jahren noch wenige Standardmarken, die Cantina- und Supermarktregale füllten, so sind heute in Mexiko über 580 verschiedene Etiketten angemeldet.
Eigentliche Profiteure sind die transnationalen Spirituosenkonzerne, die zum einen den Schnaps im Fass aufkaufen und unter eigenem Markennamen vertreiben, in Deutschland der Billigtequila „Sierra“ mit dem roten Hütchenverschluss, den in Mexiko niemand kennt. In den USA sollen über fünftausend verschiedene Etiketten kursieren.
Zum anderen kaufen sich Spirituosenmultis zunehmend in die mexikanische Produktion ein, alle größeren Hersteller sind heute – wie Casa Cuervo – ganz oder teilweise in ausländischer Hand. Zwar ist der Schnaps im Vergleich zu Devisenquellen wie Erdöl und Tourismus eine kleine Branche, die bislang nur vierhundert Millionen Dollar im Jahr erwirtschaftet.
Rund 36.000 Menschen sind rund um den Tequila beschäftigt, die allermeisten von ihnen Landarbeiter und Agavenbauern, die eher zu den Boomverlierern zählen dürften. So bekamen die campesinos bis vor kurzem gerade zehn Centavos (zwei Pfennig) pro eingepflanztem Agavenableger und nur 850 Pesos (umgerechnet rund 170 Mark) pro Tonne geernteter Agavenköpfe.
Damit der Boom wieder der Region und ihren Menschen zugute kommt, plädieren Experten neben langfristigen Verträgen zwischen Bauern und Brennern dafür, auch die eigentliche Wertschöpfung via Abfüllung, Etikettierung und Vertrieb wieder ins Land zu holen: Tequila nicht mehr per Fass, sondern in Flaschen zu exportieren.
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