Retro ist voll in – und käuflich

■ Manchmal kommen alternative Hausfrauen mit ihren Kids, um sich an alte Zeiten zu erinnern. Doch das „Plasik Fantastik“ ist kein Museum, sondern Retro-Design-Fundgrube

Die Beatles wären hellauf begeistert gewesen: Cocktailsessel und Nierentisch, dazu ein knallbuntes Porzellanservice. Im „Plastik Fantastik“ – Bremens erstem und einzigem Laden mit original 50er- bis 70er-Jahre-Artikeln – findet man alltägliche Dinge aus dem wahren Leben vergangener Jahrzehnte. Der Name, noch aus Hippie-Zeiten stammend, ist zugleich Programm. Von außen eher unscheinbar, ja, sogar düster erscheinend, prallt man im Innern auf grelle Farben und extravagante Formen. Lampen, die aussehen wie Schmetterlinge, futuristische Sitzschalen, die der Enterprise entstammen könnten sowie unzählige Vasen, Teller, Wecker und Kleiderbügel legen Zeugnis ab über gelungenes und missratenes Alltagsdesign aus den seltsam fernen und doch höchst präsenten 50er, 60er und 70er Jahren. Von der Hummelfigur-imitation „made in Hongkong“ für 15 Mark bis zur quietschorangen Dusche für 500 Mark ist alles dabei und zu haben.

Die Idee, amüsante und skurrile Kult-Gegenstände an den Mann zu bringen, kam Ladenbesitzer Thomas Klute vor zwei Jahren. Gesundheitliche Gründe zwangen den 44-Jährigen damals zur Aufgabe seiner kleinen Siebdruckerei und machten die Suche nach einer neuen Geschäftsidee unumgänglich. Zusammen mit einem befreundeten Antiquitätenhändler suchte er die fehlende Inspiration auf einer dreiwöchigen USA-Reise – und fand sie schließlich auf einem Trödelmarkt in einem „kleinen Kaff“ rund 90 Kilometer von der Stadt St. Louis entfernt. Kunterbunter Plastikmodeschmuck aus den 60ern hatte es ihm angetan. „Der war nicht nur originell, sondern zudem auch noch günstig“, begründet Klute seine Wahl. Zurück in Deutschland, erwies sich die Investition als Glücksgriff. Fast alle Mitbringsel wechselten schnell den Besitzer. Nachdem Klute kurze Zeit später bei einer Haushaltsauflösung an ähnliche Kostbarkeiten geriet, reift in ihm der Gedanke, mit dem Modeschmuck ein Geschäft zu gründen. Die Standortwahl war schnell geklärt: Der Besitzer eines Plattenvertriebs suchte zur gleichen Zeit nach größeren Büroräumen. „Da seine Räumlichkeiten meinen Vorstellungen entsprachen, haben wir einfach getauscht.“ Anfänglich umfasst das Ladensortiment fast ausschließlich Halsketten, Broschen, Ohr- und Fingerschmuck in den schrägsten Farben und Formen – aus Plastik versteht sich. „Dadurch ergab sich auch der Geschäftsname“, erklärt Klute: „Plastik Fantas-tik“. Mit der Zeit sammeln sich jedoch immer unterschiedlichere Gegenstände an: Gut erhaltene Möbel und Elektrogeräte sowie nicht mehr benötigter Kleinkram. Und siehe da, den Leuten gefällt's. Für Klute nicht weiter verwunderlich: gestern noch pfui, heute wieder hui, Mode und Musik machen's vor.

„Wer in diesem Geschäft Geld verdienen will, muss sich gut auskennen“, betont Klute. Anfangs „keinen Schimmer“ von Design und Preisen, eignet er sich das nötige Fachwissen mittels entsprechender Lektüre an, entwickelt mit der Zeit ein Auge für wertvolle und angesagte Teile. „Wem dies fehlt“, so sagt er, „dem gehen die wertvollsten Dinge durch die Lappen.“ Denn was für den Laien aussieht wie ein Haufen oller Stühle, sind bei Design-Fetischisten heiß begehrte Sammelobjekte, die oft für dreistellige Summen (oder mehr) über den Ladentisch wandern. Derartiges Klientel ist in Bremen allerdings selten. Zu seinen Kunden zählen überwiegen Teens und Twens, denen „die Mark nicht so locker in der Tasche sitzt“. Aber auch der ein oder andere Nostalgie-Freak auf der gezielten Suche nach einem Kult-Objekt, findet den Weg in Klutes Spektakulum. „Ab und zu verirrt sich auch mal eine alternative Hausfrau hierher, nutzt den Laden als eine Art Museum und zeigt ihrem Sprössling, wie sie früher gewohnt hat.“ Entsprechend dem Publikum sind auch die Verkaufspreise: In Hamburg, Berlin oder Amsterdam bis zu 100 Prozent teurer, verkauft Klute das ein oder andere Designerstück „zum Dumpingpreis“. Sein derzeitiger Liebling: Das original 60er Jahre „Ericofon“ im obligatorischen Orange. Am liebsten würde er das Plastiktelefon der Marke „Ericsson“ selbst behalten, „doch Geschäft und Sammeltick lässt sich schlecht kombinieren.“ Seit einem Jahr in Betrieb, deckt der kleine Second-Hand-Laden gerade mal die Kosten. „Damit's zum Leben reicht, verkaufe ich zusätzlich an interessierte Händler“.

Das Angebot in seiner vollgestopfter Wunderkammer ist das Ergebnis harter Arbeit. Besuche unzähliger Haushaltsauflösungen wechseln sich ab mit frühmorgendlichen Streifzügen auf Trödelmärkten. Aber auch der Straßenrand erweist sich für den Sammler zuweilen als wahre Fundgrube. „Man greift sich an den Kopf, wenn man sieht, was die Leute alles wegschmeißen.“ So kann in einer Sperrmüllkiste, unter einem Berg verfilzter Plüschtiere, ein Steiff-Teddie im Wert von 3.000 Mark zum Vorschein kommen. „Besonders älteren Leuten fehlt oft der Bezug zu den Dingen. Was viele als Gegenstände mit Kult-Charakter ansehen, ist für die nicht mehr als ganz gewöhnlicher Alltagsschrott.“

Silke Katenkamp

Fehrfeld 26, mo - fr 15 - 19 Uhr, sa 11 - 14 Uhr