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: Krakau-Events

Anders als in Polens Hauptstadt Warschau, in der Zeit nur noch als Tempo wahrgenommen wird, scheinen für die Einwohner Krakaus die Grenzen des Gestern, Heute und Morgen aufgehoben zu sein. Vergangenheit und Zukunft sind Abstraktionen, die in Theater und Konzertsälen, bei Straßenfestivals und in Ausstellungen alter oder avantgardistischer Meister keine Bedeutung haben. In Krakau ist jeder von seinem Selbstverständnis her Teil der Kultur. Dieses Jahr ist Krakau eine von neun Kulturhauptstädten Europas und hat deshalb ein Kulturprogramm zusammengestellt, das dazu verlockt, seinen Wohnsitz vorübergehend in die südpolnische Kulturmetropole zu verlegen.

Internationale Festivals gibt es genauso wie den Puppenspieler aus den polnischen Bergen, liturgische Gesänge in mystisch-dunklen Kirchen ebenso wie Jazz-Konzerte unter freiem Himmel, klassisches Ballett und modernes Tanztheater. Das Leitmotiv für das Jahresfestival der Kultur in Krakau ist: „Der Gedanke – Der Geist – Das Schaffen“.

Vor wenigen Tagen hat das „Tanzfestival Krakau 2000“ mit Gruppen aus Bulgarien, der Schweiz, Amerika, Österreich und Venezuela begonnen (5. 7.–18. 7.). Neben den Aufführungen können Tänzer wie interessierte Laien in Tanzwerkstätten ihr Können verbessern und neue Choreographien kennen lernen. Eine große Hommage an die beiden Künstler Stanislaw Wyspianski und Tadeusz Kantor zieht sich über das ganze Jahr hin. Beide Fin-de-Siècle-Künstler – der eine am Ende des 19. Jahrhunderts, der andere am Ende des 20. Jahrhunderts – waren Visionäre, die aus der Landestradition heraus eine Kunstrichtung entwickelten, die in der ganzen Welt Nachahmer fand und wiederum Neues anstieß. Bis zum sechsten August ist noch das „Opus Magnum“ Wyspianskis im Nationalmuseum in Krakau zu sehen. Seine Theaterstücke wurden bereits im Mai und Juni gezeigt.

Die monumentalen Glasfenster in der Franziskanerkirche hingegen sind das ganze Jahr über zugänglich. „Unmöglich“ heißt eine der Tadeusz Kantor gewidmeten Ausstellungen (bis 14. 7. 2000), „Erinnerung, Verlust“ (Beginn: 7. 12.). Von Oktober bis Dezember steht das Theaterschaffen Kantors im Zentrum der Aufmerksamkeit. Neben den Stücken Kantors selbst werden auch diejenigen seiner Schüler in aller Welt aufgeführt. Alle Aufführungen werden auf Video aufgenommen und können – ebenso wie einige der Premieren während des Festivals gekauft werden.

Ein ganzer Ausstellungszyklus stellt die „Macht der Sitten“ in verschiedenen Ländern vor. Vom 14. Juli an wird eine Ausstellung zu den Sitten und Traditionen im polnischen Judentum in der Alten Synagoge zu sehen sein. Zu diesem Thema passt auch das „Festival der Rituale und Mysterien-Theater“ (1. 10. bis 14. 10.) sowie die Ausstellung „Die Dinge des Alltags“, in der allerdings vor allem Gebrauchsgegenstände aus der Zeit der Volksrepublik gezeigt werden (1. 12. 2000–10. 1. 2001).

GABRIELE LESSER

Das Programm des Festivals kann im Internet abgerufen werden unter www.krakow2000.pl