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interview mit peter awen

„Eine Frage der Moral“

Peter Awen ist Chef der Alfa-Bank, die zu den größten russischen Banken zählt. Anfang der 90er-Jahre war er Außenwirtschaftsminister.

taz: Wladimir Putin hat einmal gesagt, dass es unerlässlich sei, die Oligarchen von der Macht zu verdrängen. Man kann jedoch den Eindruck gewinnen, dass alle Oligarchen gleich, aber einige gleicher sind als andere.

Peter Awen: Ich glaube an die Offenheit Putins und denke, dass er um gleiche Distanz zu allen Oligarchen bemüht ist. Aber Putin ist nicht die einzige Person an der Macht, es gibt andere, und die halten sich weniger daran.

Fürchten Sie nicht, eines schönen Tages Besuch zu bekommen, so wie einige Konzerne dieser Tage?

Natürlich habe ich Angst davor. Doch Angst um einen selbst und um das Land sind zwei verschiedene Dinge. Der Einfluss, den die Oligarchen unter Jelzin hatten, muss eingedämmt werden. Für mich wäre es natürlich bequemer, unter den Bedingungen einer solchen Oligarchendominanz zu leben.

Sie beklagen widersprüchliche Signale aus der Politik. Worin sehen Sie diese Widersprüche begründet?

In Russlands komplizierter Lage eine klare politische Linie auszuarbeiten ist schwierig. Jetzt wird über Demokratie und Autoritarismus diskutiert. Man hat mich kritisiert, weil ich mich dabei auf Pinochet bezogen habe. Ich glaube, es ist Pinochet gelungen, ein Gleichgewicht zwischen Autoritarismus und Zivilgesellschaft herzustellen.

Für Pinochet war das Privateigentum heilig. In Russland scheint eher das Gegenteil der Fall.

In gewisser Weise unterscheidet sich in Russland die Beziehung zum Eigentum von einer normalen, zivilisierten Gesellschaft. Das ist eine tiefe nationale Tradition. Wir sind moralisch darauf vorbereitet, dass man uns jeden Moment das Eigentum wegnehmen kann.

Sie sagen, dass autoritäre Führungsmethoden nicht so schlecht sind.

Das gilt natürlich nur, wenn die Bereiche, in denen Autoritarismus zum Tragen kommt, genau festgelegt sind.

Wer wird das festlegen?

Das ist eine schwierige Frage. Pinochet hat das für sich selbst festgelegt. Das ist eine Frage der Moral. Ich glaube, dass Putin eine einzigartige Bedeutung hat, überhaupt der Präsident, die Präsidialmacht. Wir haben keine andere moralische Autorität in der Gesellschaft. Putins Hauptaufgabe besteht nicht in Reformen, sondern darin, eine moralische Messlatte vorzugeben. Putin ist ein Mensch von hoher Moral.

INTERVIEW: PAVEL SCHIROW

Übersetzung: Barbara Oertel

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