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Tabuzone Strafraum

■ St.Pauli verliert 0:1 gegen Werder Bremen. Trotzdem sind am Millerntor alle glücklich

St. Paulis Trainer Dietmar Demuth wars zufrieden: „Man hat gesehen, dass alle Neuzugänge auf Anhieb Verstärkungen sein können. Für den Anfang war das heute wirklich sehr ordentlich.“ Das sah auch das Gros der knapp 5000 Zuschauer so und bedachte besonders die Neuzugänge Heinz Weber (Tor) und Thomas Meggle (Mittelfeld) mit langanhaltendem Applaus. Der österreichische Torsteher - soeben auf Empfehlung von Horst Hrubesch vom FC Tirol verpflichtet - sorgte auch dafür, dass die Niederlage gegen Werder Bremen mit 0:1 noch halbwegs glimpflich ablief.

Denn zu Beginn gab es haarsträubende Unzulänglichkeiten in St. Paulis Hintermannschaft zu bestaunen – obwohl Demuth unter Hinweis auf die Hochklassigkeit der gegnerischen Stürmer auf das Experiment der Viererkette verzichtet hatte. Manndecker Thomas Puschmann grätschte gleich mehrmals ins Leere. Beim Treffer durch Marco Bode (14) bedurfte es keiner neumodischen Abwehrformationen (Demuth: „Dreierkette, Viererkette, Perlenkette, Hauptsache gewinnen“), um gravierende Zuordnungsprobleme in der Hintermannschaft zu offenbaren.

Der Plan der Werder-Mannschaft sah jedoch eine nachhaltige Demütigung des Gegners nicht vor. Die Bremer reduzierten drastisch das Tempo und hatte einen Andreas Herzog auf dem Platz herumstehen, der die Dynamik einer Holsteiner Milchkuh versprühte. Seine größte Tat bestand darin, einen berechtigten Foulelfmeter ganz passabel zu schießen - und damit seinem Landsmann Weber die spektakulärste Parade des ganzen Spieles zu ermöglichen (25). In der Folgezeit gelang es dem FC St. Pauli, die Partie recht ausgeglichen zu gestalten, wobei sich in der Tat besonders die Neuzugänge Meggle und Rath durch Engagement auszeichneten. Dass dabei aber nur eine einzige Torchance herausgespielt wurde (Wehlage versiebte kläglich), sollte Trainer und Fans nachdenklich stimmen: So emsig Nico Patschinski und besonders Marcel Rath in der ersten Halbzeit auf den Flügeln ackerten - das Betreten des Strafraumes blieb ihnen konsequent versagt.

Ein wenig mehr Zug zum Tor versprühte in der zweiten Hälfte Ivan Klasnic, der mangels Alternative auch in der kommenden Saison zum Stamm zählen dürfte. Dass an seiner Seite am Freitag mit Marek Trejgis ein laufstarker Mittelfeldmann „stürmen“ musste, spricht in diesem Zusammenhang Bände. Selbst wenn man konzediert, dass der von den Fans trotz einer Fehlpassorgie zum neuen Publikumsliebling erkorene Thomas Meggle noch zum Spielgestalter werden könnte - dass dessen potenzielle Vorlagen verwertet werden, können auch nach dem Werder-Spiel nur notorische Optimisten hoffen.

Doch davon gibt es am Millerntor reichlich: Die Stimmung auf der Saisoneröffnungsfeier im Anschluss an die Begegnung war prächtig. Die Neuzugänge offerieten eine Mischung aus Kraftmeierei („Mich hat noch keiner Weichei genannt“, Rath), Unbekümmertheit („Am Ende der Saison fahren wir alle nach Fürth und treten Benno Möhlmann in den Arsch“, Patschinski über seinen Ex-Trainer) und (Wahl-)Lokalpatriotismus („Tolle, schöne, großartige Stadt“, alle). St. Pauli-Fans sind derzeit nicht nur sportlich leicht zufriedenzustellen. Christoph Ruf

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