Abkommen unterzeichnet

Endlich: Entschädigung der Zwangsarbeiter aus der NS-Zeit kann in diesem Herbst beginnen

von CHRISTIAN SEMLER

55 Jahre mussten seit dem Kriegsende verstreichen, um den ZwangsarbeiterInnen des „Dritten Reiches“ endlich zu etwas wie Genugtuung zu verhelfen. Gestern wurde in Berlin sowohl das deutsch-amerikanische Regierungsabkommen als auch die gemeinsame Erklärung der an den internationalen Entschädigungsverhandlungen beteiligten Seiten unterzeichnet. Einige Anwälte, voran Ed Fagan, knirschten zwar mit den Zähnen, unterzeichneten aber dennoch.

In 15 Monaten ist es Graf Lambsdorff und Stuart Eizenstat gelungen, die tiefen Widersprüche, die den Kreis der Berechtigten, die Höhe der Zahlungen, die Organisation der Stiftung und nicht zuletzt die „Rechtssicherheit“ für die deutschen Firmen betrafen, zu überbrücken. Der nun erzielte Kompromiss gestattet es, mit der Auszahlung der Gelder noch in diesem Herbst zu beginnen.

Auf der Basis der gemeinsamen Erklärung werden die in den USA anhängigen Klagen vor einem Bundesrichter zu einem Fall „konsolidiert“, dann werden die Verfahren beendet. Damit könnte die Bedingung der deutschen Unternehmer, „keine Auszahlung vor Beendigung der Verfahren“, erfüllt werden.

In seiner Ansprache vor der letzten, der Prunksitzung des multinationalen Entschädigungsgremiums, bedankte sich Lambsdorff nach allen Seiten, kritisierte aber erneut die „Zögerlichkeit“ deutscher Unternehmen, der Stiftungsinitiative beizutreten. Allerdings hegt er „nicht den geringsten Zweifel, dass die deutsche Wirtschaft den zugesagten Betrag aufbringen wird“.

Wie sehr den Unternehmern selbst dieses Resultat zweifelhaft ist, zeigt die gestrige Stellungnahme ihrer Bundesverbände. Darin wird ein weiteres Mal gefordert, den Beitrag der jetzt privatisierten ehemaligen Unternehmen der öffentlichen Hand dem 5-Milliarden-Konto der Stiftungsinitiative gutzuschreiben.

Die „Gemeinsame Erklärung“ fasst die bereits im Stiftungsgesetz niedergelegten Verfahren zusammen. Neu: Die deutschen Firmen einschließlich der Versicherungskonzerne werden dort aufgefordert, ihre Archive endlich zu öffnen, um Nachweise der Zwangsarbeit zu erleichtern.

Das deutsch-amerikanische Abkommen samt Zusatzdokumenten bewegt sich auf der Kompromisslinie, die von Lambsdorff selbst vor wenigen Wochen bekannt gegeben wurde. Die Präambel („In Erwägung, dass . . .“) präludiert bereits den Komplex der Rechtssicherheit, der dann in Artikel 2 des Abkommens mit der Kernformulierung des „Statement of Interest“, das die US-Regierung im Fall künftiger Rechtsstreitigkeiten abgibt, ausgefüllt wird. Dort heißt es, „dass es im außenpolitischen Interesse der Vereinigten Staaten liege, wenn die Stiftung die einzig rechtliche Möglichkeit und die ausschließliche Form für die Regelung von Ansprüchen wäre, die gegen deutsche Unternehmen geltend gemacht werden und dass die Abweisung solcher Fälle in ihrem außenpolitischen Interesse läge“.

Die ursprünglich von der amerikanischen Seite vorgebrachte Einschränkung des „Statement“, was künftige privatrechtliche Klagen anlangt, wurde im Schlussdokument fallen gelassen.

Wie Lambsdorff versicherte, bedeutet das Abkommen allerdings nicht, dass überhaupt keine Ansprüche gegen deutsche Unternehmen aus Unrechtstatbeständen während des Zweiten Weltkrieges mehr geltend gemacht werden können. Lambsdorff nannte, auf entsprechende Äußerungen Ed Fagans eingehend, die Rückgabe unrechtmäßig erworbener Kunstschätze auf dem Klageweg.

Das Abkommen betont die deutsche Rechtsaufsicht über die Stiftung und beendet damit einen langwierigen Streit bei den Verhandlungen. An der Zusammensetzung des Stiftungskuratoriums wird sich nach der Unterzeichnung der Erklärung nichts mehr ändern.

Für den „Rest der Welt“, also die Opferverbände, die Regierungen und Anwälte der Staaten, die nicht am Verhandlungstisch saßen, wird – wie schon vereinbart – ein Vertreter der IOM, der „International Organization for Migration“, einrücken. Zum Schluss des Abkommens versichern die USA, fürderhin keine Reparationsansprüche gegen Deutschland erheben zu wollen.