: Prioritäre Petersilie
Prinzenreich im Priel: Botaniker legen ein Reich für den Schierlings-Wasserfenchel an ■ Von Gernot Knödler
Er sieht aus wie eine zu groß geratene Petersilie, aber weil er ungefähr so selten ist wie der Panda, hat er jetzt einen eigenen Priel. Auf dem Halbinselchen Overhaken am Rande der Vier- und Marschlande haben BiologInnen ein 250 Meter langes und 40 Meter breites Biotop so angelegt, dass sich Oenanthe conioides besonders wohl fühlt und wieder ein bisschen ausbreitet, statt auszusterben.
Die Ansiedlung ist nicht einfach, denn der Schierlings-Wasserfenchel hat durchaus Ansprüche: Zweimal am Tag will der Prinz unter den Unscheinbaren zwei bis drei Stunden unter Wasser stehen – aber Süßwasser bitteschön! Nur dann fühlt er sich wohl, auch deshalb, weil unter diesen Lebensbedingungen das gemeine Volk der weit verbreiteten Pflanzen auf Abstand bleibt. Im Botanischen Garten sind einige Exemplare des Schierlings-Wasserfenchels zwar durch schlichtes Gießen über den Winter gebracht worden, konkurrierende Pflanzen wurden ihm dort aber durch Jäten vom Leibe gehalten.
„Es geht nicht um die einzelne Pflanze“, sagt Jacqueline Neube-cker, „sondern darum, dass die Pflanze etwas Besonderes ist, weil sie sich an die besonderen Verhältnisse angepasst hat.“ Die Diplom-Biologin leitet das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben, mit dem das Bundesamt für Naturschutz, die Umweltbehörde und der Botanische Verein den Schierlings-Wasserfenchel ansiedeln und erforschen wollen.
Die BotanikerInnen wissen weder, wer die nächsten Verwandten des Wasserfenchels sind oder wie alt die Art ist, noch wie er bestäubt wird oder wie weit sich seine Samen verbreiten. Neben dem botanischen Verein forschen deshalb die Unis Hamburg, Mainz und Marburg an der Pflanze. Jacqueline Neubecker schreibt sogar ihre Doktorarbeit über ihn.
Der Prinz gehört zu einer von drei „prioritären“ Arten, für deren Erhaltung Deutschland nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU eine besondere Verantwortung trägt. So wie die Sand-Silberscharte auf den Binnen-Dünen des Rheins bei Mainz gedeiht und das Bayerische Federgras nur in wenigen Mooren, so gedeiht der Schierlings-Wasserfenchel nur im Süßwasser-Tidegebiet zwischen Glückstadt und Geesthacht.
War die ein bis 1,50 Meter hohe Pflanze um 1900 im Elbtal noch weit verbreitet, ist ihre Population durch das Eindeichen des Elbvorlandes auf rund 1000 Exemplare gesunken. Mit dem künstlichen Priel soll das Rest-Prinzenreich wenigstens heimeliger gemacht werden.
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