RUMÄNIENS PRÄSIDENT GIBT AUF, WEIL ER WIEDER GEWÄHLT WERDEN WILL: Constantinescus Seifenoper
Der vor vier Jahren als Hoffnungsträger angetretene rumänische Präsident Emil Constantinescu gibt auf. Das hat er jedenfalls in einer spektakulären Fernsehansprache angekündigt. Seinen Schritt begründete er, in dem er die Parolen noch einmal hervorkramte, mit denen er 1996 seine Wähler überzeugen wollte. In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit, hatte Constantinescu damals verkündet, werde er gnadenlos die Korruption und die Misswirtschaft bekämpfen, die alten mafiösen Seilschaften zerschlagen, die politische Prinzipienlosigkeit durch eine neue, glaubwürdige politische Kultur ersetzen, das Wirtschaftssystem grundlegend reformieren und Rumänien in einen modernen Staat mit einer gefestigten Demokratie verwandeln.
Von all diesen großartigen Versprechen hat er keines erfüllt. Insofern ist es konsequent, wenn der Hoffnungsträger von gestern sein Versagen eingesteht. Dabei lässt es Constantinescu aber nicht bewenden: Was er in vier Jahren nicht erreicht hat, möchte er nun in den letzten vier Monaten seiner Amtszeit nachholen. Gnadenlos will er gegen all diejenigen vorgehen, die sich ihm bislang erfolgreich in den Weg gestellt haben.
Diese Ankündigung gibt zu denken, denn dahinter könnte sich mehr als der denkwürdige Verzweiflungsakt eines Don Quijote verbergen. Schließlich verspricht Constantinescu in dem von sozialer Kälte geprägten Rumänien gerade den Ärmsten der Armen, den Ruheständlern, ein großes Geschenk: die Aufbesserung ihrer Renten. Die Geste erinnert fatal an Ceauçescu, der noch im Dezember 1989 seinen Untertanen finanzielle Zugeständnisse gemacht hatte, ihnen eine Erhöhung ihrer miserablen Gehälter versprach, um auf diese Weise seinen drohenden Untergang zu verhindern. Wenn nun Constantinescu durch populistische Zugeständnisse nur den Abwärtstrend, in dem er sich befindet, stoppen möchte, um dann im Herbst doch noch als Präsidentschaftskandidat anzutreten, dann hat er es geschafft, die Seifenoper rumänischer Couleur um eine weitere Folge zu bereichern. WILLIAM TOTOK
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