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Kongo-Krieg weitet sich aus

Kabilas Regierungsarmee ist bei einer Offensive gegen MLC-Rebellen auf dem Vormarsch. Zehntausende fliehen nach Kongo-Brazzaville und sorgen dort für Angst

BERLIN taz ■ Im unwegsamen Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo droht die Entvölkerung ganzer Regionen, seit der Krieg zwischen der Regierung von Präsident Laurent Kabila und der Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) eskaliert. Die MLC, die den Norden des Kongo beherrscht, bestätigte jetzt, dass sie sich am Wochenende aus der Kleinstadt Imese zurückgezogen hat (siehe Reportage in der taz vom 17. 7). Imese liegt am Ubangi-Fluss an der Grenze zu Kongo-Brazzaville und war eine Frontstadt der MLC.

Der „taktische Rückzug“, so MLC-Führer Jean-Pierre Bemba, erfolgte nach einwöchigen schweren Luftangriffen der Gegenseite. Einwohner der Stadt, die sich über den Fluss nach Kongo-Brazzaville absetzten, sagten, nach dem MLC-Rückzug hätten Kabila-Truppen mit ihren Verbündeten aus Simbabwe den Ort kampflos besetzt.

Bemba zufolge wird an der Kriegsfront um Imese nördlich von Mbandaka, größte Stadt der Region, seit Dienstag letzter Woche „Tag und Nacht“ gekämpft. Der MLC-Führer warnte: „Wir wollen der internationalen Gemeinschaft mitteilen: Wenn sie Kabila in seinem Wahn nicht aufhält, ist das das Ende des Lusaka-Friedensabkommens, weil wir kraftvoll reagieren müssen.“

Das Friedensabkommen von Lusaka wurde 1999 zwischen Regierung und Rebellen im Kongo geschlossen und sieht einen UN-überwachten Waffenstillstand sowie einen politischen Dialog vor. Bis zu dessen Ende schreibt es die Kontrolle verschiedener Rebellengruppen über den Norden und Osten des Kongo fest. Imese liegt laut Abkommen im MLC-Herrschaftsgebiet.

Die schweren Artilleriegefechte um die gesamte Region nördlich von Mbandaka haben nach UNHCR-Angaben insgesamt 35.000 Zivilisten in die Flucht über den Ubangi-Fluss ins Nachbarland Kongo-Brazzaville getrieben. Das sind fast alle Bewohner dieser von Flüssen durchzogenen Urwaldgegend. Die meisten der Flüchtlinge leben im Norden von Kongo-Brazzaville, der ähnlich unzugänglich ist wie die Gegend, aus der sie jetzt geflohen sind. Erreichbar ist dieses Gebiet nur über den Grenzfluss zwischen beiden Ländern, aber auf diesem Fluss bewegt sich Kabilas Armee und hat viele der normalerweise verkehrenden Schiffe requiriert.

So ist nicht nur die Versorgung der Flüchtlinge im Norden von Kongo-Brazzaville so gut wie unmöglich, sondern die gesamte Bevölkerung dort ist einer „faktischen Blockade“ unterworfen, wie eine lokale Hilfsorganisation klagt. Selbst das UNHCR kann den Fluss nicht mehr benutzen und sucht jetzt Landrouten durch den Dschungel.

Auf der Suche nach Nahrung und medizinischer Versorgung ziehen die Kriegsflüchtlinge nun tiefer ins Landesinnere von Kongo-Brazzaville hinein. Da im Norden von Kongo-Brazzaville nur etwa 100.000 Menschen leben, destabilisiert die Ankunft Zehntausender herumirrender Flüchtlinge die Region nachhaltig, die bereits 25.000 ruandische Hutu-Flüchtlinge beherbergt. „Dörfer, wo normalerweise 200 Leute wohnen, wachsen über Nacht auf 2.000 bis 3.000 Menschen“, sagte letzte Woche Kongo-Brazzavilles Innenminister Pierre Oba. Unter den Flüchtlingen seien auch bewaffnete Soldaten, sowohl von der MLC wie auch von Kabilas Armee. Diese „gefährlichen Elemente“ müssten scharf kontrolliert werden, sagte Oba. Denn Kongo-Brazzaville erholt sich selber erst langsam von einem schweren Bürgerkrieg, der seit Ende 1998 Zehntausende Tote gefordert hat. DOMINIC JOHNSON

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