Rhetorische Hilfe für überforderte SPDler

Sozialminister Riester lässt „Musterreferate“ verteilen, damit SPDler vor Ort über die Rentenreform aufklären können

BERLIN taz ■ Vom nächsten Monat an wird das Volk in deutschen Landen einer sozialdemokratischen Simultanaktion teilhaftig: „Meine sehr verehrten Damen und Herren“, wird es unisono aus 298 Kehlen in 298 Wahlkreisen schallen, „die Verantwortung für das Ganze, das heißt für unser Gemeinwesen, zwingt uns auf, jetzt die Rentenstrukturreform vorzubereiten und dann im Parlament zu verabschieden.“ Es ist der Anfang vom „Musterreferat Rentenreform – Redezeit: ca. 30 Minuten“, mit dem Arbeitsminister Riester die Mitglieder der SPD-Fraktion in die Sommerpause schickt.

Der Arbeitsminister ließ das „Musterreferat“ in seinem Hause selbst ausformulieren bis hin zum „Ich danke für die Aufmerksamkeit“. Schließlich wissen viele SPDler immer noch nicht, wie sie vor Ort den RentnerInnen erklären sollen, was die „modifizierte Nettoanpassung“ ist. Etwas Schützenhilfe aus Berlin tut da gut.

35 Mitarbeiter feilen derweil im Arbeitsministerium an dem Gesetzentwurf zur neuen Rente, den die Regierung im Frühjahr 2001 verabschieden möchte. Die nächsten Rentenkonsensgespräche sollen im Herbst stattfinden, erklärte Riester gestern. Er wisse noch nicht, ob die PDS eine Einladung zu diesen Gesprächen erhalten werde. Um die Teilnahme der PDS an den Gesprächen war ein Streit zwischen CDU und SPD entbrannt.

Einzelne Alternativvorschläge seiner linken Kritiker teile er durchaus, sagte Riester. So hielte er „im Grundsatz“ eine Versicherungspflicht für alle Erwerbstätigen für richtig. Nur sei das kurzfristig nicht zu bewerkstelligen.

Riester lud die Union ein weiteres Mal zu den nächsten Konsensgesprächen ein: „Die Tür ist nicht zu“, sagte er. Der Grund dafür liegt nicht nur darin, dass über so grundlegende Dinge wie eine Rentenreform ein breiter Konsens zwischen den Parteien hergestellt werden soll. Es geht auch darum, eine Blockade von Teilen der Reform im Bundesrat zu vermeiden: Gerade zwei populäre Vergünstigungen, nämlich die steuerliche Befreiung der privaten Vorsorge und der Plan, dass Kinder nicht mehr belangt werden, wenn Rentner aufstockende Sozialhilfe bekommen, sind im Bundesrat zustimmungspflichtig. HEIDE OESTREICH