: Innensenator wird international
■ Innensenator Bernt Schulte (CDU) führt in Bremen die „Blue-Card“ ein / SPD- und Grünenfraktion lehnen Vorstoß vehement ab / Arbeitssenatorin Hilde Adolf (SPD) stimmt zu
Wieder einmal sorgt Innensenator Bernt Schulte (CDU) mit einer Amtshandlung für Überraschung. Per Verordnung führte er gestern die „Blue Card“ im Land Bremen ein. Danach sollen SpezialistInnen aus dem Ausland mit sofortiger Wirkung in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren Spitzenpositionen in bremischen Industrie- und Wirtschaftsbetrieben annehmen können. Anders als bei der von der Bundesregierung zum 1. August eingeführten „Green Card“ soll die „Blue Card“ nicht nur Computer-ExpertInnen, sondern auch SpezialistInnen aus anderen Branchen Zugang zum bremischen Arbeitsmarkt verschaffen.
Zur Begründung dieser Initiative sagte Innensenator Bernt Schulte, Zuwanderung in Deutschland müsse „primär von der eigenen Interessenlage“ und nicht „von eher zufälligen Flüchtlings- und Wanderungs-bewegungen“ abhängig sein. Ein großer Vorteil der – bereits vor Monaten in Bayern eingeführten – Blue Card sei, „dass sie unmittelbar an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes angepasst ist. Wer gebraucht wird, kann einreisen, wer arbeitslos wird, muss wieder ausreisen. So wird auch eine weitere Belastung des Sozialversicherungs-systems vermieden.“ Die in der vergangenen Woche im Bundesrat verabschiedete „Green Card“ lehnte er als „zu wenig flexibel“ ab. In Bremen würden nicht nur Computerfachleute, sondern auch AkademikerInnen aus anderen Berufszweigen „benötigt“. Interessierte Arbeitgeber sollten sich ans Arbeitsamt wenden.
Im Bremer Arbeitsamt, wo die neue Verordnung gestern noch nicht vorlag, verhält man sich abwartend. Dort wurden in den vergangenen vier Wochen zehn Anfragen für Experten aus der IT-Branche registriert. Auch sei „dringender Bedarf“ an Arbeitskräften in anderen Berufszweigen noch nicht aktenkundig geworden. In jedem Einzelfall werde geprüft, ob sich der Arbeitsplatz für die angeforderte Spitzenkraft aus dem Ausland nicht mit einem deutschen Bundesbürger besetzen lasse. Daraus ergebe sich auch, für welche Dauer die Arbeitserlaubnis mit der „Blue Card“ erteilt werde. Bei der „Green Card“ ist eine fünfjährige Augenthalts-Dauer vorgesehen.
Arbeitssenatorin Hilde Adolf (SPD), die gemeinsam mit den übrigen Regierungsmitgliedern den Schulte'schen Vorstoß am Dienstag im Senat „zur Kennnis genommen“ hatte, warnte unterdessen vor einer Verknüpfung von Einwanderungs- und Asyldebatte. Die Einführung der „Blue Card“ in Bremen liege auf einer Linie mit der „Green Card“-Initiative der Bundesregierung, so die Sozialdemokratin. Zugleich betonte sie, dass „die bunten Karten“ vor allem eine Herausforderung zu mehr Ausbildung im Bereich der Informations-technologie seien. Grundsätzlich müsse klar sein, dass auch die „Green Card“ nur eine vorübergehende Maßnahme sei, um ein aktuelles Problem zu lösen.
Während der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jörg Jäger, „die rasche und unbürokratische Einführung der Blue Card“ gestern begrüßte, reagierten VertreterInnen der SPD-Fraktion mit harscher Kritik. Als „billige Effekthascherei“ bezeichnete die arbeitsmarktpolitische Sprecherin und DGB-Vorsitzende Helga Ziegert die Entscheidung. In Bremen kämen 371 arbeitslose Computerspezialisten auf 150 offene Stellen. Zudem habe das Arbeitsamt ein 15 Millionen Mark schweres Programm für den IT-Bereich aufgelegt. Einen „Angriff auf das geltende Asylrecht“, nannte der SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen Schultes Äußerungen. Zudem sei der Gedanke, wonach Menschen „zu einer nach Belieben bestell- und rücksendbaren Ware“ würden, nicht mit dem sozialdemokratischen Menschenbild vereinbar. Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Abgeordnete Anja Stahmann. ede
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