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Unternehmensstrategie für das Produkt

Ein Modellversuch soll die Qualität von 62 Schulen steigern. Orientierung geben Schlagwörter aus der Wirtschaft

Qualität, Management, Dienstleistung. Begriffe, die eigentlich mehr an Privatwirtschaft erinnern als an die öffentliche Hand oder gar an Schulen. Doch das soll sich ab dem nächsten Schuljahr ändern. 62 Schulen nehmen an einem freiwilligen Modellprojekt der Senatsschulverwaltung teil, bei dem sie sich drei Jahre lang mit der Qualität ihrer Einrichtung auseinander setzen.

„Die Schulen müssen ihre Ziele formulieren, ihre pädagogischen Leistungen und Wirkungen regelmäßig beobachten und darüber Rechenschaft ablegen“, fasst Tom Stryck die Idee zusammen. Er hat in der Schulverwaltung das Projekt „Schulqualität in Berlin“ (SQIB) entwickelt. Zur Erklärung benutzt Stryck am liebsten Begriffe aus der Wirtschaft: Die Schulen sollen eine „Unternehmensstrategie“ entwickeln. Offiziell heißt das dann „Schulprogramm“. Damit soll eine „Produktpalette“, das „Schulprofil“, hergestellt werden. „Die Schulpraxis zeigt, das die Qualität von Schule höchst unterschiedlich ist“, sagt Stryck. Eine Grundschule, die konsequent jahrgangsübergreifenden Unterricht, Frühenglisch oder bestimmte Sportarten in Arbeitsgemeinschaften anbietet, habe einen besseren Ruf als die, die nur ein unbestimmtes Profil habe. Das Profil stärke das Ansehen im Bezirk, motiviere gleichsam Eltern- und Schülerschaft. Es entstehe eine engere Identifikation mit der Schule.

Das wollen auch drei Gymnasien in Prenzlauer Berg. Die Käthe-Kollwitz-, Camille-Claudel- und Pasteur-Oberschule haben teilweise schon ein eigenes Profil, sind besonders naturwissenschaftlich oder musisch orientiert. Dieses wollen sie mit Hilfe des Modellprojekts noch schärfen und gleichzeitig die Schulen so miteinander vernetzen, dass die SchülerInnen die Möglichkeit haben, Wahlpflicht- und Leistungskurse auch an den anderen Schule zu besuchen. „Wir wollen einen gemeinsamen Stundenplan erstellen und dadurch die Kooperation wesentlich verbessern“, sagt Jutta Grüschow, Leiterin der Käthe-Kollwitz-Oberschule.

Einer der wichtigsten Bausteine des Modellprojekts ist die innere Evaluation, die Überprüfung des Schulablaufes. „Routinierte Beratungs-und Entscheidungsstrukturen erscheinen plötzlich nicht mehr selbstverständlich“, weiß Tom Stryck, „pädagogisch-didaktische Alltagspraktiken sind keine Privatsache mehr, sondern werden Angelegenheit eines professionellen Kollegiums.“ Dabei könne es auch zu einer Neuorientierung in den innerschulischen Macht-und Einflusskonstellationen kommen. Alle Themen sollen dabei diskutiert werden: Neue Stundenpläne und Lehrmethoden, die Atmosphäre und Effektivität des Unterrichts und das Schulklima insgesamt. Die Schule solle nach diesem Prozess stärker als Dienstleistung begriffen werden, in der die Interessen und Bedürfnisse der SchülerInnen im Mittelpunkt stehen.

Mit welchen Verfahren sich eine Schule überprüft, bleibt den Kollegien weitestgehend selbst überlassen. „Das ist bewusst offen gehalten worden“, sagt Stryck. Eine „Beratungsagentur“ beim Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (BIL) unterstützt die Schulen jedoch bei ihrem Leistungscheck. Finanzielle Zuschüsse oder Freistunden für eingebundene LehrerInnen gibt es für die Schulen nicht.

Schließlich soll es auch noch eine externe Evaluation geben. Diese sei laut Stryck äußerst wichtig. Wer diese übernehme, ob die Schulaufsicht oder WissenschaftlerInnen beteiligt seien, sei noch völlig unklar.

Gerhard Remme, Schulleiter der Ossietzky-Gesamtschule in Kreuzberg, findet das Modellprojekt sehr positiv. Es mache jedoch nur Sinn, wenn es zukünftig klare und verlässliche Rahmenbedingungen gebe. „Die Schul- und Bildungspolitik darf kein Appendix der Finanzpolitik mehr sein“, kritisiert er. Würden die Schulpolitiker tatsächlich Manager sein, wären sie in der jetzigen Situation schon längst gefeuert. JULIA NAUMANN

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