: Singende Hansestadt ... äääh ... Alsfeld!
■ Kultursponsoring hat viele Vorzüge: Zum Beispiel motiviert es einen Kirchenchor zu einer kafkaesken Namensgebung
Alsfelder Ensemble Bremen? Ist das nicht so wie Bremer Domchor München? Oder Münchner Bachorchester Leipzig? „Nein“, meinen die Damen des Vorstandes des Alsfelder Vokalensembles, „denn wir sind unter diesem Namen ein eingetragener Verein“. Nun gut, unter diesem Namen ist der Chor ja auch bekannt, ja berühmt geworden, und seine Sitzverlegung nach Bremen, die nun in dieser Woche während einer Pressekonferenz im Dom bekannt gegeben wurde, kann nicht heißen, dass er sein Markenzeichen aufgibt.
Der Leiter des Alsfelder Vokalensembles, der Bremer (!) Domkantor Wolfgang Helbich, weist darauf hin, dass schon lange die Alsfelder mit der der Stadt Alsfeld nichts mehr zu tun haben. Kein einziges Mitglied lebt noch dort und Sponsorengelder kommen auch nicht. „Aber das war meine erste Stelle, und deswegen hänge ich so an dem Namen“, sagt Helbich. Der Projektchor, der ca. drei bis vier Einstudierungen pro Jahr leistet und damit etwa fünfzehn Konzerte bestreitet, verspricht sich von der Verlegung nach Bremen vor allem eine bessere Sponsorensituation. „Außerdem lebe ich hier“, sagt Helbich, „es lag sowieso schon lange nahe“. Der Geschäftsführer Moritz Puschke betreut gleichzeitig die musikalischen Aktivitäten im Dom, und da einige aus dem Domchor auch bei den Alsfeldern singen, ist die neue Ansiedelung einfach organischer. Also: Alsfelder Vokalensemble Bremen. Irgendwie witzig.
Am heutigen Freitag singt das Alsfelder Vokalensemble Felix Mendelssohn Bartholdys „Paulus“, ein Ausnahmeprojekt, denn der Chor singt sonst mit Vorliebe Alte Musik und mit Vorliebe a cappella: „Das ist das Schwerste und das Schönste, so wie Streichquartett“, meint Wolfgang Helbich.
Ein Blick in den CD-Katalog zeigt weitere Vorlieben des Chores und seines Leiters: Er findet gerne Perlen jenseits des Repertoires. So hat er die Musik von Joseph Eybler wiedergefunden, jenes Komponis-ten, den Konstanze Mozart als Ers-ten bat, das Requiem ihres Mannes zu vollenden. Oder die wunderbare „Messa solemnelle“ von Johann Stamitz, dem vielleicht wichtigsten Komponisten vor Mozart und Haydn. Außerdem findet Helbich es im Augenblick ganz spannend, was unter „apokryphen“ Bach-Motetten zu finden ist: Handschriften von Bach, die aber nachweislich nicht von Bach sind. Bach hielt sie immerhin für eine Abschrift wert, „also muss das gute Musik sein“ (Helbich). Im Oktober startet diese Reihe. „Es ist unglaublich schwer, diese Raritäten zu verkaufen, die Veranstalter gehen mit einer h-Moll-Messe dann doch lieber auf Nummer sicher“, sagt Moritz Puschke.
Im Alsfelder Vokalensemble Bremen sind Laien und „semiprofessionelle“, wie man das so schön nennt; insgesamt 100 Mitglieder. „Es ist uns leider noch nicht gelungen, auch nur kleine Honorare zu zahlen, im Gegenteil, die Chormitglieder sind zahlende Vereinsmitglieder“, bedauert Helbich. Dass sich das ändert, hofft man nun in Bremen. Ute Schalz-Laurenze
Das Alsfelder Vokalensemble Bremen ist heute, 21. Juli, um 20 Uhr im St. Petri Dom mit „Paulus“ von Mendelssohn-Bartholdy zu hören
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