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„Man kann nur das Prinzip Hoffnung walten lassen“

Der Meteorologe Andreas Wagner (32) von der Bochumer meteofax Wetterdienste GmbH ist trotz des Tiefs „Betty“ optimistisch: „Noch ist alles drin“

taz: meteofax vermeldet als „Wetter-Extra des Tages“: „Der Sommer kann sich nicht entscheiden.“ Ist es wirklich der Sommer, der sich nicht entscheiden kann oder sind es nicht vielmehr die Meteorologen, die nicht wissen, was sie prognostizieren sollen?

Andreas Wagner: (lacht) Der Sommer kann sich nicht so richtig entscheiden. Wir interpretieren ja nur die Daten, die uns die Satelliten liefern. Es gibt aber nun einmal ein hartnäckiges Tief über der Ostsee, es nennt sich „Betty“, und das will einfach nicht weichen. Anfang der Woche sah es so aus, als würde es sich abschwächen und nach Osten abziehen und das Hoch über dem Atlantik sich nach Westen ausweiten. Aber leider ist das Tief ein kleines bisschen stärker als angenommen. So lange es nicht abziehen kann, kommt auch der Sommer nicht zum Zuge.

Also liegen die Freibäder, die ab heute wieder aufmachen, mit ihrem Optimismus falsch?

Im Moment sieht es so aus, als ob das Tiefdruckgebiet noch ein, zwei Tage an Ort und Stelle liegen bleiben wird. Es ist genau zwischen einem Hochdruckgebiet im Osten und einem im Westen gefangen genommen. Es schwächt sich langsam ab, das Hoch weitet sich ein klein wenig nach Osten aus, und dann kann es auch in der Osthälfte etwas wärmer werden. Aber speziell Nord- und Ostsee, Berlin und Brandenburg bleiben leider im Moment noch in dieser kühlen und wolkenreichen Luft. Das ist ein bisschen Pech für Berlin und Brandenburg.

Was ist in den nächsten Tagen zu erwarten?

Nächste Woche wird es zunehmend schwülwarm, die Temperaturen gehen auf jeden Fall aufwärts, aber die trockene, sonnige Variante ist leider immer noch nicht in Sicht. Die Statistiken zeigen jedoch, dass die erste Julihälfte oft verregnet ist und dann zu den bekannten Hundstagen, die ja nächste Woche beginnen, immer mal wieder 30, 35 Grad drin sind.

Stundenweise oder wie?

In der Regel ist unser westdeutcher Sommer wechselhaft, das liegt in der Natur der Sache. Wir haben die Nähe zum Atlantik und zur Nordsee und nur in seltenen Wetterlagen kann sich der Sommer längere Zeit einnisten.

Wird es denn nun noch mal Sommer in Berlin oder nicht?

Wir haben Karten bis nächste Woche. Da ändert sich eigentlich nicht sehr viel an der Wetterlage, außer, dass es insgesamt wärmer wird. Die Windrichtung dreht von Nord–West auf Süd–West und dann kann zumindest wärmere, aber weiterhin feuchte Luft einströmen.

Lohnt es sich, noch Badekleidung zu kaufen?

Tja, wie gesagt, der Sommer ist noch lange nicht vorbei. Es ist noch alles drin. Es ist eine etwas außergewöhnliche Wetterlage, die aber nicht selten ist. Wir haben nur das Pech, dass sie so lange andauert.

Wie vertreiben Sie sich die aufkommenden Herbstgefühle?

Bei mir als Meteorologen kommen keine Herbstgefühle auf. Ich weiß, was mit dem Wetter los ist. Man darf den Kopf nicht hängen lassen. Wir können das Wetter nicht besser machen, wir können nur versuchen, so früh wie möglich die Besserungen anzukündigen. Ich bin mir aber sicher, der Sommer kommt noch.

Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht?

Aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Es gibt einfach keinen Sommer, wo es im Juli oder August nicht mal 30 oder 35 Grad gegeben hat. Man kann nur versuchen, die besten Aspekte rauszusuchen, und das Prinzip Hoffnung walten lassen.

INTERVIEW: BARBARA BOLLWAHN

DE PAEZ CASANOVA

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