tierische invasion: Bonner und ihre Parasiten
Es ist unglaublich, aber wahr: Berlin ist hauptstadtfähig! Endlich hat die Stadt das, was andere europäische Hauptstädte – London, Paris, Brüssel und Zürich – schon seit Jahren haben: Die „Hauptstadt-Laus“. Experten haben herausgefunden, dass der Regierungsumzug neben den Bonnern eine weitere Plage nach Berlin gebracht hat: Die wollige Napfschildlaus (Pulvinaria regalis). Es wird vermutet, dass die gefährliche Blattlaus, die die Blattläuse auf den Linden blass aussehen lässt, von Rheinländern eingeschleppt wurde.
Lausiges von BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
Bekennerschreiben liegen derzeit noch nicht vor. Das Pflanzenschutzamt vermutet die Übeltäter jedoch in hohen Regierungskreisen. Experten gehen davon aus, dass zugezogene Bundesministerien bei der Bepflanzung ihrer Gärten und Grünanlagen knausern und europaweit billige Bäume einkaufen, denen man auf den ersten Blick nicht ansieht, dass sie befallen sind. Schauen die ersten Läuse unter dem Blattrand hervor, ist es bereits zu spät. Die drei bis fünf Millimeter langen Tiere beschädigen Baumkronen durch extremes Saugen mit ihrem Saugrüssel und fressen sie im Nullkommanix ratzekahl. Schon ist von einer Masseninvasion auf Berliner Linden, Kastanien und Ahornbäumen die Rede, denn jedes Weibchen legt 3.000 Eier ab.
Die zarten Bande, die sich seit dem Regierungsumzug zwischen Bonnern und Berlinern entwickelt haben, werden damit auf eine erste wirkliche Zerreißprobe gestellt. Waren es bisher die Bonner, die unter den Berliner Verhältnissen litten, sind es nun die Berliner, auf die der importierte klebrige Honigtau herabrieselt, den die Tiere en masse absondern.
Hilfe ist derzeit nicht in Sicht. Denn bisher gibt es kein zugelassenes Pflanzenschutzmittel gegen die Parasiten, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch völlig unbekannt in Europa waren. Da hilft nur eins: Abschieben! Zurück ins Rheinland, wo sie hergekommen sind. Sollen doch die Bonner zusehen, wie sie mit der Plage fertig werden. Den Berlinern läuft vielleicht gelegentlich eine Laus über die Leber. Aber wollige Napfschildläuse sollen nicht auf ihre Köpfe fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen