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Deserteur darf Deserteure ehren

Der 78-jährige Ludwig Baumann und die Kampagne gegen Wehrpflicht legten Kranz im Bendlerblock nieder. Erstmals hatte die Bundeswehr an einem Ort unter ihrem Hausrecht die Ehrung von Kriegsdienstverweigeren gestattet

Erstmals unter dem Hausrecht der Bundeswehr ist in der Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“ im Bendlerblock gestern ein Kranz zur Erinnerung an die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in der NS-Zeit niedergelegt worden. Die kleine Gedenkfeier war von der Kampagne gegen Wehrpflicht und dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, Ludwig Baumann, organisiert worden. Der 78-Jährige ist selbst Wehrmachtsdeserteur. Als solcher war er 1942 wegen „Fahnenflucht“ zum Tode verurteilt, dann aber zu zwölf Jahren Zuchthaus begnadigt worden.

Der rüstige alte Herr mit den schütteren weißen Haaren war sichtlich bewegt, als er gestern Mittag im Beisein von Angehörigen der Kampagne gegen Wehrpflicht mit dem Kranz in den Hof der Gedenkstätte schritt. Drinnen war gerade die offizielle Gedenkfeier der Bundesregierung zum 20. Juli zu Ende gegangen, und die weit über 100 geladenen Gäste strömten zum Ausgang.

Den Kern der Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zum Jahrestag des fehlgeschlagenen Hitler-Attentats hatte Baumann noch genau im Ohr: Der Widerstand gegen Hitler, so Thierse, habe keineswegs erst am 20. Juli 1944 begonnen. Zu seinen Widersachern hätten Offiziere und Adlige ebenso gehört wie Geistliche, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Liberale, Konservative, Kommunisten und andere.

In seiner Ansprache vor etwa 30 Zuhörern bedauerte Baumann, dass Thierse die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure nicht eigens genannt habe. Schließlich habe die NS-Militärjustiz über 30.000 Todesurteile verhängt, über 20.000 seien vollstreckt und über 10.000 Männer zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt worden. Bis heute seien die Wehrmachtsdeserteure, von denen nur noch ganz wenige lebten, weder grundsätzlich rehabilitiert noch entschädigt worden. Dass diese alten Männer entwürdigende Anträge bei der Staatsanwaltschaft stellen müssten, um zu ihrem Recht zu kommen, sei ein Skandal, sagte Baumann. Als Grund bekomme er immer wieder zu hören: Man könne die Deserteure nicht ins Recht setzen, weil damit die Gesamtheit der 18 Millionen Wehrmachtssoldaten ins Unrecht gesetzt würde.

Dann war es mit der Gastfreundschaft der Bundeswehr auch schon vorbei. Polizisten und Feldjäger drängten zum Aufbruch. Denn bei der Gelöbnisfeier der Bundeswehrrekruten musste der Bendlerblock „störerfrei“ sein. PLUTONIA PLARRE

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