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Rechter Terror altbekannter Kameraden

Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat „Ansätze rechtsterroristischer Tendenzen“ in der Hauptstadt entdeckt. Neu sind die Namen der Organisationen – die Aktivisten sind seit Anfang der 90er-Jahre bekannt. Seitdem pflegen sie ungestört persönliche und ideologische Kontakte

von HEIKE KLEFFNER

Ein Gruppenbild mit Erinnerungswert: Inmitten eines Sammelsuriums von Schlagwaffen, Messern und selbst gebauten Brandflaschen verhaftete die Berliner Polizei im August 1994 in der Wohnung des langjährigen Neonazi-Anführers Arnulf Priem zwei Dutzend führende Neonazi-Aktivisten aus Berlin und Brandenburg. Wenn Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) heute – knapp sechs Jahre später – vor „Ansätzen von rechtsterroristischen Tendenzen“ in der Hauptstadt warnt, dann findet sich fast immer einer der in Priems Wohnung Verhafteten inmitten der diffusen Strukturen, die sich mal „Nationalrevolutionäre Zellen“, „Weißer Arischer Widerstand“ oder „Anti-Antifa Berlin“ nennen.

Organisationsnamen seien innerhalb des harten Kerns der Neonazis „Schall und Rauch“, hatte Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner vom Zentrum Demokratische Kultur schon Ende der 90er-Jahre festgestellt. Was zählt, sind persönliche Kontakte und ideologische Übereinstimmung. Und die konnten in Berlin seit Anfang der 90er-Jahre, allen Erfolgsmeldungen der Sicherheitsbehörden und vermeintlichen Streitigkeiten innerhalb des rechtsextremen Lagers zum Trotz, ungestört gepflegt werden.

So sorgten in den letzten Jahren mehrere Neonazis aus dem Kreis der in Priems Wohnung versammelten Gesinnungsfreunde durch Tötungsdelikte, Waffenfunde und so genannte Anti-Antifa-Aktivitäten für Schlagzeilen: allen voran der wegen Polizistenmordes und der Schüsse auf den Marzahner Buchhändler Klaus Baltruaschat zu lebenslanger Haft verurteilte Kay Diesner und der wegen Beihilfe zum Totschlag an einem rechten Gesinnungsgenossen zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilte Detlef Nolde. Beim Anti-Antifa-Aktivisten Oliver Werner, der damals von Priems Dach Journalisten mit einer Zwille angegriffen hatte, wurden Ende der 90er-Jahre Anleitungen zum Bombenbau, Rohrbomben, Sprengstoff und Adressen „politischer Gegner“ gefunden. Gegen Oliver Schweigert, Hartmut Spengler und Andreas Tews – Kay Diesners engstem Weggefährten – und mindestens neun weitere Neonazis aus Berlin, Brandenburg und Niedersachsen ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft seit Oktober 1999 wegen „Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Hausdurchsuchungen hatten einige hundert Fotos, Namen und Adressen von Journalisten, Abgeordneten, Antifas und Justizvertretern zu Tage gefördert.

Dass es nicht beim Sammeln von Daten politischer Gegner bleiben soll, zeigen beispielsweise die Aktivitäten der Kameradschaft Treptow und die jüngst enttarnten „Nationalrevolutionären Zellen“ , die im Herbst vergangenen Jahres in der Neonazipostille Hamburger Sturm ihre Träume vom „braunen Untergrund“ verbreiteten und konkrete Attentatspläne verfolgt haben sollen. Insgesamt zählte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr über 700 gewaltbereite Rechtsextremisten in Berlin; in Brandenburg wird das Potenzial auf 600 geschätzt. Kennen gelernt hat sich der harte Kern des militanten Berliner Neonazi-Spektrums schon 1990 im damaligen Zentrum der Nationalen Alternative in der Ostberliner Weitlingstraße. Es folgten zwei Jahre intensiver ideologischer und militärischer Schulungen, inklusive Wehrsportübungen bei Königs Wusterhausen und auf Rügen. Zu den Anleitern in Sachen Sprengstoff und Bombenbau gehörte auch der mittlerweile untergetauchte Westberliner Neonazi Ekkehart Weil. Weils Schützlinge orientierten sich in der Folgezeit unter anderem an Terrorhandbüchern wie „Eine Bewegung in Waffen“. Darin wird das vom NSDAP-Propagandaminister Josef Goebbels kurz vor der Niederlage Nazideutschlands propagierte „Werwolf“-Konzept wieder aufgegriffen und für den heutigen Neonazi-Untergrund aktualisiert. „Beim Attentat ist die Vernichtung von Menschenleben eigentliches Ziel der Kampfhandlungen. Das Attentat ist für den Werwolf die einzige Möglichkeit einer Art von Rechtsprechung im weitesten Sinn“, lautet eine der Anweisungen an die „nationalen Kämpfer“. Auch internationale Vorbilder dienen der Vorbereitung zum „heiligen Rassenkrieg“, wie beispielsweise das seit Anfang der 90er-Jahre in der Szene kursierende Konzept vom „führerlosen Widerstand“ des US-amerikanischen Ku-Klux-Klan-Anführers Louis Beam. „Nach der Strategie des führerlosen Widerstandes operieren alle Individuen und Gruppen unabhängig voneinander und fragen nie bei einem zentralen Hauptquartier und Einzelführern nach Anweisungen. (...) Dies führt zu sehr kleinen oder sogar Ein-Personen-Zellen“.

In England entstand daraufhin die Terrorgruppe Combat 18, in Schweden töteten in Kleinstgruppen agierende Rechtsextremisten im vergangenen Jahr den Gewerkschafter Björn Söderberg und zwei Polizeibeamte.

Da verwundert es nicht, dass der harte Kern der Berliner und Brandenburger Neonazi-Szene gute Kontakte nach England und Schweden unterhält. Man trifft sich bei Konzerten rechtsextremer Bands aus dem Netzwerk von Blood & Honour und Aufmärschen in Deutschland und Skandinavien. Jüngstes Beispiel: Anfang Mai und Mitte Juni dieses Jahres befanden sich unter den Konzertbesuchern in dem festungsähnlich ausgebauten Anwesen des deutsch-dänischen Chefs von Blood & Honour Skandinavien, Marcel Schilf, in der südschwedischen Kleinstadt Ljungbyhed auch führende Kader der Berlin-Brandenburger Blood-&-Honour-Sektion. Ihre Aufgabe sei es, schreibt der Berliner Blood-&-Honour-Chef Stefan Lange unter dem Pseudonym „Pinoccio“, „Patrioten verschiedener Stilrichtungen zu sammeln und zu einen, nicht nur in der Musik, sondern im Kampf“.

Dementsprechend gut funktioniert auch die Zusammenarbeit zwischen dem harten Kern der militanten Berliner Neonazis und Blood & Honour. Immer auf der Suche nach Nachwuchs aus den Reihen neonazistischer Skinheads und der NPD, erhofft man sich gerade durch die offen zum „Rassenkrieg“ und Vernichtung politischer Gegner aufrufenden Liedtexte der Blood-&-Honour-Bands, jüngere Mitstreiter zu gewinnen. Altgediente Neonazi-Aktivisten wie Oliver Schweigert genießen in diesem Umfeld aufgrund ihrer ständigen Präsenz als Ordner bei NPD-Aufmärschen und Koordinatoren von Anti-Antifa-Kampagnen ein hohes Ansehen. Denn ähnlich wie dessen Hamburger Gesinnungsgenossen Christian Worch und Thomas Wulff gehört der harte Kern der Berliner Neonazis zum bundesweiten Netzwerk der von dem verstorbenen Michael Kühnen ins Leben gerufenen Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF). Deren Ziel: Unter dem Deckmantel und Schutz immer neuer Organisationen und Parteien die Aufhebung des NS-Verbots, eine Neugründung der NSDAP und letztendlich „eine nationalsozialistische Revolution“ durchzusetzen.

Momentan führt die Enttarnung von Carsten S. , einem ihrer langjährigen engen Mitstreiter und Verfechter der militanten Combat-18-Linie, als langjährigem Informanten des brandenburgischen Verfassungschutzes in der Szene zu Verunsicherung, wechselseitigen Verdächtigungen und Misstrauen. Doch erst die nächsten Monate werden zeigen, ob die altgedienten Neonazi-Kader ein weiteres Mal mit dem Aufbau neuer Terrorstrukturen beginnen werden. Oder ob bereits jetzt rechtsterroristische Strukturen existieren, die sich der Beobachtung und dem Zugriff der Sicherheitsbehörden entzogen haben.

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