piwik no script img

die gesetzliche regelungCannabis-Extrakte unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz

Erkrankte vor Kriminalisierung schützen

Einen entscheidenden Vorstoß zur Entkriminalisierung von Erkrankten, die zur Linderung von Schmerzen oder zur Heilung von Krankheiten Cannabis anwenden, unternahm Ende Juni der Bundestags-Petitionsausschuss. Mit der Forderung von Maßnahmen zur Legalisierung von Cannabis-Produkten für medizinisch begleitende Zwecke hat sich der Ausschuss gegenüber der Regierung erstmals mehrheitlich für „eine kontrollierte, auf den medizinischen Bereich begrenzte Abgabe von Cannabis-Produkten an Erkrankte“ ausgesprochen.

Die bisher schizophrene Gesetzgebung brachte die Vorsitzende des Petionsausschusses, Heidemarie Lüth, auf den Punkt. So hätten die deutschen Gesetze bislang „eine Anzahl von Drogen mit Suchtpotenzial als Genussmittel toleriert, nicht jedoch die medizinische Verwendung von Hanfprodukten durch Schwerkranke“.

Dabei lassen weder historische Quellen noch Untersuchungen der letzten dreißig Jahre Zweifel an dem großen medizinischen Anwendungsspektrum dieser Heilpflanze. Denn Cannabis-Produkte beziehungsweise -Inhaltsstoffe können bei vielen Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden.

Natürliche Cannabis-Wirkstoffe sind zum Beispiel bei der Behandlung von Schmerzzuständen – wie Tumorschmerz oder Migräne – ebenso wirksam wie zur Vorbeugung und Linderung von Krämpfen in Verbindung mit körperlich bedingter Spastik bei Querschnittslähmung und multipler Sklerose. Durch ihre krampflösenden Wirkungen zeigen sie auch beim Tabletten- oder Alkoholentzug gute Erfolge. Von ebenfalls großer Hilfe ist Cannabis zur Minderung der Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie in der Krebsbehandlung, zur Abwendung von Appetitlosigkeit und Auszehrung bei Aids-Erkrankung, bei der Behandlung von Asthma und Epilepsie oder zur Senkung des Augeninnendrucks beim Grünen Star.

Cannabis und seine natürlichen Wirkstoffe unterliegen den von Deutschland zwischen 1976 und 1988 ratifizierten internationalen Suchtstoff-Übereinkommen – und damit dem deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Somit ist für ein Inverkehrbringen von Cannabis-Arzneimitteln erforderlich, dass die Substanzen zu den bei uns „verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln“ gehören – was zur Zeit für die synthetischen Cannabis-Wirkstoffe Dronabinol und Nabilon zutrifft. Damit dürfen Kranke diese Wirkstoffe zwar straffrei anwenden, aber nur, wenn sie ihnen vom Arzt auf Betäubungsmittelrezept verschrieben werden.

BETTINA RECKTOR

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen