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Am Paul und Paula Ufer

„Jenseits von Mitte“, Teil 2: Gründe, um auch nach Lichtenberg zu fahren. Am Rummelsburger See steht eine Bank für alle Liebespärchen der Stadt. Die können, umschlungen, eine romantische Filmszene nachspielen, wenn Platz auf der Bank ist

von KIRSTEN KÜPPERS

Namen sind wichtig. Viele Orte werden überhaupt nur wahrgenommen, weil sie einen guten Namen haben; einen, der Sehnsüchte kommuniziert, vom Alltag ablenkt, ein Leben wie im Film verspricht. International funktioniert das bei Städten wie Santa Fé, Odessa, Timbuktu oder Shanghai. Manche Straßen in Berlin klingen indes auch sehr apart: Akkordeonweg, Kongostraße und Wurstmacherweg.

Von Casablanca lernen heisst siegen lernen, hat sich wohl auch die Wasserstadt GmbH gedacht, als sie sich daran machte, die Südküste Lichtenbergs und den dazugehörigen Rummelsburger See aufzuräumen. Treuhänderisch für das Land Berlin saniert die Wasserstadt GmbH im Rahmen eines Expo-Projekts die von DDR-Industrieabfällen verseuchte Brache.

Früher waren hier ein Gefängnis, Fabriken, Lagerhallen, Zäune. Das Ufer ist seit 1998 wieder zugänglich. Um Publikum zu locken, nannten die PR-Berater der Wasserstadt GmbH den schmalen Sandweg am Rummelsburger See „Paul und Paula Ufer“.

Ein einladender Name. Er assoziiert Liebe und Rückbesinnung auf ostdeutsche Filmromantik – keine schlechten Gedanken für einen stillen Ort am Rande des Plattenbaubezirks Lichtenberg.

Die Verwunschenheit bleibt trotz der vielen Expo-Schilder erhalten. Eine behinderte Frau geht mit versunkenem Lächeln spazieren. Am Wasser hantiert ein dicker Mann mit dem knorrigen Gebüsch. Irgenwo jammert ein Seevogel.

Der Name „Paul und Paula Ufer“ ist nicht willkürlich aufgepropft. Eine extravagante Szene des DDR-Films „Die Legende von Paul und Paula“ spielt tatsächlich auf dem Rummelsburger See. Das Liebespaar Paul und Paula schwelgt blumengeschmückt auf einem Spreekahn. Es ist eine Traumsequenz. Die beiden werden umringt von singenden Binnenschiffern. Die Szene im Film wirkt eher psychodelisch denn kitschig. Paul und Paula sind realistische DDR-Bürger, die sich unvernünftigerweise ineinander verlieben. Auf der gegenüberliegenden Halbinsel Stralau wacht der Palmkernölspeicher.

An der Uferstelle, an der der Kameramann 1973 die Schauspieler für die Szene filmte, steht jetzt eine Holzbank. Wer auf der Bank sitzt, hat denselben Kino-Ausschnitt vor Augen: Schilf, dunkles Wasser, Stralau und den Palmkernölspeicher. Vorne dümpelt ein verrosteter Metallkahn, hinter einem der leere Fußballplatz vom „SV Sparta Lichtenberg 1911“. Die Wasserstadt GmbH hat die Bank „allen künftigen Berliner Liebespaaren“ gewidmet, wie auf einem kleinen Metallschild zu lesen ist. Die schöne Stimmung wird damit zwar krachledern heraufgenötigt, stellt sich aber trotzdem ein: Inzwischen musste die Wasserstadt GmbH schon das zwölfte Schild anschrauben. Liebespärchen haben die alten immer wieder geklaut.

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