: Alles eine Frage des Niveaus
■ 2.000 Anschläge: Fritz Dopatka, Mitglied der Kulturinitiative Anstoß und Rechtsanwalt, erläutert, warum sich an den Plänen zur Privatisierung der Kulturverwaltung zeigt, dass es den politischen AkteurInnen an durchdachten Konzepten mangelt
Kultursenator Bernt Schulte (CDU) erarbeitet zurzeit ein Konzept, das die so genannte Beleihung der privaten Controllingfirma kmb vorsieht. Würde die kmb beliehen – d.h. würde sie mit staatlichen Aufgaben betraut – dann verlöre die bisherige Kulturverwaltung einen Großteil ihrer Aufgaben. Diese Pläne zur Privatisierung der Verwaltung haben bei Kulturschaffenden, Gewerkschaftern, PolitikerInnen und den Arbeitnehmerkammern sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst (die taz berichtete). Wir haben nun Fritz Dopatka gebeten, die rechtlichen und politischen Tücken eines solchen Privatisierungsprozesses zu bewerten. Als Staatsrat für die Bereiche SKP (Senatskommission für das Personalwesen) und Gesundheit hat Fritz Dopatka acht Jahre lang Erfahrungen gesammelt mit der Organisation von Verwaltungsstrukturen. Mittlerweile engagiert sich der Rechtsanwalt in der Kulturinitiative Anstoß.
1. Die Kulturverwaltung galt zu Beginn der großen Koalition als dringend verbesserungsbedürftig. Und was verbesserungsbedürftig ist, wird heutzutage begutachtet – was, wie ich aus beratender Praxis bestätigen kann, im Einzelfall durchaus richtig sein mag. Der Auftrag „Bremer Kulturverwaltung“ ging an McKinsey. Dass eine Verwaltung, wie in Bremen geschehen, nach Beratung durch MkKinsey mehr Personal einsetzt wie zuvor, ist zunächst einmal eine Überraschung. Steht McKinsey doch im Ruf, eine Rationalisierungsfirma zu sein. Aber ein Ziel der Beratung war es eben, neue leitende Kulturbeamte nach Bremen zu holen. Gleichzeitig sollten die „Strukturen“ öffentlichen Handelns verbessert werden.
2) So weit, so gut. Dass die zusätzlichen Gehälter für die infolge des McKinsey-Prozesses neu geschaffene Kulturcontrolling-Firma kmb – Experten sprechen von circa 1,5 Millionen Mark pro Jahr – vo-rübergehend vom Finanzsenator, letztlich aber vom Kulturetat finanziert werden, ist schon weniger gut. Und macht das erste Problem aus, auf das wir hier stoßen. Für wen ist der Kulturetat eigentlich da, für die Kultur(-einrichtungen) oder für deren notwendige Verwaltung? Das Kredo eines kleinen Stadtstaates kann nur sein, dass möglichst viel Mittel an die Produzenten gehen und möglichst wenig in die Verwaltung. Ganz in diesem Sinne ist die McKinsey-Kulturpolitik der letzten Jahre unbremisch, weil sie die Verwaltung aufplustert und den Kulturproduzenten Mittel entzieht.
3) Die neu eingekauften Manager Herr Volker Heller, Herr Reinhard Strömer und Frau Margrit Hohlfeld erweisen sich als jedenfalls nicht besser als die alten. Der eine leitet eine städtische GmbH, die halb berät und halb entscheidet, also zwei nach jeder Organisationslehre zu trennende Funktionen wahrnimmt, und die deshalb von den „betreuten“ Kultureinrichtungen nicht recht akzeptiert wird. Er selbst mag dies nicht einsehen und erfreut sich allenfalls in der Politik einer gewissen Beliebtheit. Der andere leitet die alte Verwaltungsabteilung der Kulturbehörde, ohne dass erkennbar würde, was sich nun geändert hat, außer dass alles komplizierter geworden ist. Die Dritte soll ein Kulturamt aufbauen, das niemand mehr will. Weder die alten, noch die neuen Personen passen zusammen; die Funktionen bleiben unklar.
4) Gedacht war es so: Die Kulturabteilung administriert das Wichtige. Das Kulturamt kümmert sich um die vielen kleinen Einrichtungen (Zuschüsse unter 200.000 Mark). Die Kulturmanagement GmbH „kmb“ (Alleingesellschafter: Stadtgemeinde Bremen) berät die Kulturszene betriebswirtschaftlich und konzeptionell.
Die Ansätze waren von vornherein falsch: Groß und klein sind nicht gut auseinander zu halten, die traditionelle Spartengliederung (Musik, Malerei, Theater) ist transparenter. Beratung einerseits und Kontrolle und Mittelbewilligung andererseits sind zwei einander ausschließende Funktionen, die bei der jetzigen Struktur der Verwaltung sich in einer schlechten Rollenkonfusion befinden.
5) Was also ist zu tun? Die Politik hat mehrere Optionen zur Reorganisation. Die nahe liegendenste lautet (1), die kmb zu privatisieren und (teil-) zu veräußern; die Stadt nimmt weitere Gesellschafter in die GmbH auf, die kmb verdient ihr eigenes Geld auf dem Beratungsmarkt. Dieses Modell ist bereits umgesetzt worden bei dem Software Haus der Stadtgemeinde ID Bremen GmbH (Partner ist debis) und wird derzeit realisiert bei Bremen Online. Allein die Teilnahme am Wirtschaftsleben macht übrigens auch den Sinn der Privatrechtsform einer GmbH aus; ansonsten sollte es regelmäßig dabei bleiben, dass Zuwendungsbescheide von Behörden erlassen werden. Lösung (1) hätte auch den Vorteil, dass der Kulturhaushalt nicht mehr vollständig die Kosten der kmb tragen müsste, zugleich kämen die Stadt, aber auch einzelne Kulturinstitutionen als Auftraggeber der kmb in Betracht. In jedem Fall würde sie eine echte Beratungsfirma, die dann auch dem Wettbewerb ausgesetzt wäre.
Die andere Möglichkeit (2) bestünde darin, die Kulturverwaltung der senatorischen Dienststelle auf eine Stabsstelle zu reduzieren, deren Funktion allein in der Aufsicht der kmb bestünde; sämtliche operativen und strategischen Aufgaben würden der kmb übertragen. Diese erhält den Status eines beliehenen Unternehmens, so wie das der Senat bei der stadteigenen Gesellschaft BIG praktiziert. Die Beleihung muss grundsätzlich per gesondertem Rechtsakt – im Zweifel einem Gesetz – erfolgen, sie ist aber keine verwaltungsrechtliche Besonderheit.
Schließlich (3) könnte die kmb auch aufgelöst werden und das Personal in den öffentlichen Dienst Bremens, insbesondere die Kulturverwaltung aufgenommen werden. Die notwendigen Beratungsleis-tungen für Kultureinrichtungen wären dann vom Markt zu erbringen, etwa durch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte usw. Diesen Weg hätte man von Anfang an einschlagen sollen, aber er war wohl zu unspektakulär und hätte nicht McKinsey bedurft. Er ist jetzt wahrscheinlich immer noch einigermaßen kostengünstig, weil die kmb – wie häufig öffentliche Gesellschaften – dazu neigt, ihre Mitarbeiter übertariflich zu bezahlen.
Keine der drei Lösungen, die wohl alle besser sind als der Status quo, müssen die politische Kontrolle durch das Parlament und die Deputation berühren. Für die Lösungen (1) und (3) versteht sich dies von selbst. Für die Lösung (2) ergibt sich dies aus dem Verwaltungsverfahrensrecht, Deputationsgesetz und einem entsprechenden Gesellschaftsvertrag. Insofern bleibt der Gestaltungsspielraum der Politik für unterschiedliche organisationspolitische Ansätze der Kulturpolitik offen.
Sowohl die praktische Beratungsarbeit als auch die wissenschaftliche Organisationsforschung zeigen, dass öffentliche Organisationen mit Zielkonflikten leben. Im Bereich der Kulturverwaltung soll einerseits Kulturförderung organisiert werden, andererseits müssen effektiver Mitteleinsatz und in diesem Sinne auch Kontrolle gewährleistet werden. Gerade wegen dieses Zielkonfliktes dürfen nicht auch noch die Organisationsstrukturen in sich widersprüchlich sein. Die Politik steht also vor der Aufgabe, organisatorisch durchdachte, alltagstaugliche Strukturen zu schaffen, die kostengünstig und kundenorientiert sind. Dabei muss sich die Politik vergegenwärtigen, dass die wichtigsten Akteure und PartnerInnen – Herr Deeke (Museum Weserburg), Frau Schmiel (Glocke), Herr Herzogenrath (Kunsthalle), Frau Lison (Stadtbibliothek), Herr Pierwoß (Theater), um nur diese Persönlichkeiten zu nennen – zumindest im deutschen Kulturraum bekannte und hoch geschätzte Fachleute sind, die Spitzenprodukte erstellen und vertreten. Das ist der Maßstab, den Bremer Politik lernen muss, sich zu stellen. Schon aus diesem Grunde empfiehlt es sich, dass sie sich vor den nächsten Reorganisationsschritten der berechtigten Bedürfnisse ihrer Adressaten vergewissert. Dr. Fritz Dopatka, Rechtsanwalt
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