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Parallele zwischen den Augen

Die Sinnestäuschung geschieht im Kopf – ganz ohne Computer und ohne Drogen: Rolf Eisenburgs Wandbilder, die er im Haus am Lützowplatz großflächig über alle Räume verteilt hat, sind stereografische Trips in die dritte Dimension

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ – das alte Kinderspiel erfährt derzeit im Haus am Lützowplatz eine neue Bedeutung. Geht es in dem Spiel darum, farbige Gegenstände mit den Augen zu entdecken, nimmt Rolf Eisenburg die Besucher in seiner Stereoshow „Die Treppe hinunter“ mit auf eine visuelle Reise in den Raum. Die gestaltet sich für ungeübte Augen schwierig. Richtig sehen will gelernt sein, schließlich haben wir es mit stereografischen Bildern zu tun. Unsere Augen aber sind auf Flächen geeicht, nicht auf Raum.

„Die Gesellschaften kommunizieren über codierte Flächen, die, in Schlitze gesteckt, Infos oder Befehle verteilen“, schreibt Eisenburg im Buch „System Dual“, das statt eines Katalogs die Ausstellung begleitet. Leicht konsumierbare Flächen sind für Eisenburg etwa Spielfilme, die träge machen: „Früher musste man noch selber denken, um sich abzulenken.“ Doch der Künstler weiß Rat und bietet erstaunliche Wege in fremde Bilderwelten.

Wie sehen die aus? Zunächst wie Flächen. Einem Fries gleich winden sich Eisenburgs Arbeiten durch die Galerieräume. Als Mischung aus Op-Art und Futurismus erinnern die auf Plastikfolien gedruckten geometrischen Formen an Computergrafiken oder Deko-Elemente. Und doch sind dies keine Bilder in der Art traditioneller Abbildung. Die stereografischen Arbeiten evozieren dreidimensionale Wandflächen, deren Räumlichkeit wie ein realer Raum wahrgenommen werden kann – wenn man denn sehen will. Oder kann. Um in die Tiefe der Bilder-Räume abzutauchen, bedarf es der Konzentration und einiger Mühe. Oft gelingt es nicht auf Anhieb, manche schaffen es nie.

Die Technik dazu ist ein Ableger der klassischen Parallelperspektive. Sie macht sich die Tatsache zu eigen, dass jedes vom Menschen gesehene Bild aufgrund unserer Zweiäugikeit in einer bildlichen Verdoppelung erscheint. Jedes Gesehene besteht aus zwei differenten Netzhautbildern, die erst im Gehirn zu einem dreidimensionalen Bild fusionieren können. Ist man stark alkoholisiert, klappt das manchmal nicht.

Rolf Eisenburg zeichnet nur mit der Hand seine Stereogramme, muss alle Linien in gleichbleibendem Abstand voneinander verdoppeln – einmal für das rechte, einmal für das linke Auge. Nur so vermitteln die Bilder des 46-Jährigen den Eindruck von real wirkender Räumlichkeit. Eine perfekte Illusion – übrigens ganz ohne Computer.

Auf die Bilder Eisenburgs muss man also erst einmal lange starren, sich selbst und seine Augen überlisten. Aber auch Spiegel helfen beim Einstieg in die 3-D-Welten: Durch das parallele Schauen wachsen die grünen oder roten Rauten hinter der Bildoberfläche in die Tiefe. Immer neue Räume tun sich auf. Plötzlich taucht eine Treppe auf, allein mit den Augen steigt man sie hinab. Es könnte einem schwindlig werden. Fast wie ein Trip, nur ganz ohne Drogen.

ANDREAS HERGETH

Bis 13. 8., Di.–So. 11–18 Uhr, Haus am Lützowplatz 9, Tiergarten

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