: Scientology im Chorgesang
■ Hubbard-Ausstellung im städtischen Bieberhaus – als Kinowerbung gedacht
Frau Kiessl sagt „Guten Tag“. „Guten Tag“ antworten hundert Leute im Chor. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, rufen sie gemeinsam „eins-zwei-drei“ und Ute Mydla-Kiessl durchschneidet das rote Band, das den Eingang zur Ausstellung über Leben und Werk des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard versperrt.
Den Ort haben die Scientologen mit Bedacht gewählt: Im selben Gebäude tagte bis zum vergangenen Jahr die Arbeitsgruppe Scientology der Innenbehörde, die stets vor der Sekte gewarnt hat. Die Ausstellung an diesem Ort zu zeigen, sei durchaus „symbolisch gemeint“, sagt Mydla-Kiessl – „zur Förderung der Kommunikation“.
Die Regenbogen-Abgeordnete Julia Koppke versteht das eher als Provokation, zumal das Gebäude der Stadt gehört und von der städtischen Sprinkenhof-AG verwaltet wird. SpriAG-Vorstand Holger Köster zieht sich auf den Mietvertrag mit dem Neuen Broadway zurück, der ihm „keine Eingriffsmöglichkeiten“ biete. Denn im Rahmen der Ausstellung wird der Kinofilm zu Hubbards Science-Fiction-Bestseller „Kampf um die Erde“ präsentiert, und derartige Veranstaltungen gehörten zum „Mietzweck“ des Kino-Betreibers. Koppke verlangt die Kündigung des Mietvertrages.
Die Ausstellung treibt auf bunten Stelltafeln Personenkult: „Ron“ als Pfadfinder, der sich Anfang 1924 innerhalb von 75 Tagen 21 Verdienstabzeichen erwarb. Ron als Flieger, als Forscher und als Menschenfreund, der das Analphabetentum bekämpft, Drogensüchtige kuriert und Straftäter resozialisiert. Alles streng wissenschaftlich, so wie sein Hauptwerk „Dianetik, die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit“, auf dem Scientology fußt. Als Schriftsteller soll er 149 Millionen Bücher verkauft haben – das meiste davon Trivialliteratur: Groschenhefte, die ebenso zu bewundern sind, wie die „Dianetik“-Ausgaben in 52 verschiedenen Sprachen.
Obwohl Scientology als Religion mit praktischem Nutzen zu „geistiger Freiheit“ führen soll, erweist es sich als schwierig, Kirchenmitglieder zu Auskünften zu bewegen. Die meisten verweisen auf Ute Mydla-Kiessl, die die Pressearbeit macht: Worum geht es bei Scientology? Ums Überleben als kleinsten gemeinsamen Nenner und, daraus abgeleitet, darum möglichst gut zu leben. Gibt es eine Seele? Ja. Was geschieht nach dem Tod? „Das sage ich Ihnen dann, wenn's passiert ist“, sagt Mydla-Kiessl. knö
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