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Claudia Schiffer ist an allem schuld

■ Werbung auf öffentlichen Gebäuden ist en vogue – klagen die Denkmalschützer / In Bremen ist auch die Bürgerschaft betroffen

Ein Bürgersöhnchen aus dem 18. Jahrhundert bekümmert derzeit die Bremer Denkmalpfleger. Es ist der kleine Melchior Holler, der seit Mitte Juni vom denkmalgeschützten Haus der Bürgerschaft herabschaut. Der selbstbewusste Knirps wirbt auf einem Großplakat für die Ausstellung „Kunst und Bürgerglanz“ im Focke-Museum. Dadurch werde „einer der vornehmsten Staatsbauten der Stadt“ zur Anschlagtafel degradiert, meint Dr. Peter Hahn, kommissarischer Leiter des Landesamts für Denkmalpflege. Er kritisiert, dass Werbung und Stadtmarketing in Bremens „guter Stube“ überhand nehmen.

Der Vorstand der Bürgerschaft hatte einmütig beschlossen, nach dem Riesenplakat für den „Blauen Reiter“ auch ein ebenso gewaltiges „blow up“ für die Bürgerglanz-Ausstellung zuzulassen – ausnahmsweise, da es sich um ein herausragendes Ereignis handele. Denkmalschützer Hahn protesierte, da durch die überdimensionierte Werbefläche – sie ist ungefähr so groß wie eine 2-Zimmer-Wohnung – auch der Marktplatz als Gesamtkunstwerk beeinträchtigt werde. Staatsrätin Elisabeth Motschmann, die in Bremen die Obere Denkmalschutzbehörde repräsentiert, gab trotz Hahns strikter Ablehnung ihre Zustimmung. Mittlerweile ist Hahn überzeugt, dass gegen Werbung kein Kraut gewachsen ist. Und: Er fürchtet eine Fortsetzung.

Tatsächlich habe es zahlreiche Anfragen gegeben, die aber alle abgelehnt worden seien, berichtet der Präsident der Bürgerschaft, Christian Weber (SPD). Er hält die Kritik des Denkmalschützers für reichlich übertrieben: „Der hat ja auch Bedenken, wenn man Bismarck für eine Woche blau anzieht.“ Weber sieht in dem Großplakat ein belebendes Element für die Bürgerschaft und ein „Stück Marketing, das ich in Ordnung finde“.

Doch genau darin wittert Hahn eine „ungute Tendenz“: Werbung an allen Ecken und Enden und immer gigantomanischer. Andere Kritiker vergleichen den Bremer Marktplatz schon mit einer großen Litfasssäule. Im Angebot: Ein Schwarm „blaustarker“ Banner, das Blow-up neben dem Schütting, Werbung für die Bierflaschen-Ausstellung in der unteren Rathaushalle, das Bürgerglanz-Plakat, und auch die Glocke nebenan macht großflächig auf sich aufmerksam. „Zeitgemäße Werbemittel“, nennt das Henrik Marckhoff von der Bremen marketing gmbH. Er findet den kleinen Melchior überdies ganz ästhetisch, „mein Auge stößt sich daran nicht“. Die Städte hätten diese Werbemethoden eben für sich entdeckt. Und sie machen kräftig Gebrauch davon.

Denkmalschützer Hahn hat resigniert. Und er weiß auch, wer schuld ist an dem Malheur: Claudia Schiffer. Erst seitdem die Berliner Gedächtniskirche mit dem blonden Werbemittel behandelt wurde, sind derartige Plakataktionen bundesweit so richtig en vogue. hase

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