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„Zwangsarbeiter vor schlimmerem Los bewahrt“

Katholische Kirche fühlt sich zu Unrecht bedrängt: Sie habe NS-Zwangsarbeiter geschützt. Für Kirchenhistoriker Besier „revisionistische Argumente“

BERLIN taz ■ Für die heftige Kritik von allen Seiten hat Rudolf Hammerschmidt, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, wenig Verständnis. „Die evangelische Kirche zahlt in den Fonds und wird in Ruhe gelassen. Sie braucht keine Nachforschungen mehr anzustellen.“ Politiker aller Parteien hatten am Wochenende den Druck auf die katholische Kirche erhöht, sich am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter zu beteiligen. Das ARD-Magazin „Monitor“ hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass in mehreren katholischen Einrichtungen Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Doch während die evangelische Kirche 10 Millionen Mark zugesagt hat, fühlen sich die Katholiken zu Unrecht in die Ecke gestellt.

Dabei haben sie sich die missliche Situation selbst zuzuschreiben. Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, dass die Bischofskonferenz dem wachsenden Druck von außen bisher mit der immer gleichen Antwort begegnet: Zunächst müsse in den über 1.000 katholischen Einrichtungen und 13.000 Pfarrgemeinden geprüft werden, ob es dort Zwangsarbeiter gegeben habe. Auf ihrer nächsten ordentlichen Sitzung Ende August wollen die Kirchenoberen über die Beteiligung am Entschädigungsfonds entscheiden. Vielleicht. „Theoretisch können sie das Thema auch vertagen. Die Tagesordnung steht noch nicht fest“, sagt Hammerschmidt. Das klingt wie eine Drohung – dabei ist die katholische Kirche längst in der Defensive. Mehrere klösterliche Einrichtungen mit angeschlossener Landwirtschaft wie Ettal oder das Leokonvikt in Paderborn haben eingeräumt, dass sie Zwangsarbeiter beschäftigten. Inzwischen hat die AG Ordensarchive ihre Mitglieder aufgefordert, eine Prüfliste zu erstellen. Streng vertraulich.

Zurückhaltung auch in Sachen Entschädigungsfonds. Um die Zwangsarbeiter zu entschädigen, habe die katholische Kirche ihre eigenen Kanäle. Und über das Maximilian-Kolbe-Werk seien bis heute 100 Millionen Mark gezahlt worden. „Umgehend und ohne bürokratische Zwischenschaltung“, wie Hammerschmidt betont. Der Hinweis ist richtig und auch falsch. Die Bundesrepublik selbst hat seit den 50er-Jahren rund 100 Millionen Mark an Wiedergutmachung gezahlt. Doch entschädigt hat sie nur im Rahmen von Globalabkommen und auch nur westeuropäische Staaten. Immer wieder haben auch die Kirchen auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung hingewiesen.

Im eigenen Fall klingt das ein wenig anders: „Auf vier Wochen kommt es jetzt auch nicht mehr an bei 55 Jahren“, findet Hammerstein. Dabei gab es im rheinischen Hilden bereits 1991 Hinweise auf Zwangsarbeiter. Und auch das Erzbistum Paderborn hat schon im April erfahren, dass im Leokonvikt Arbeiter aus der Ukraine und Polen beschäftigt waren. Doch erst in der vergangenen Woche setzte der Paderborner Bischof Johannes Joachim Degenhardt eine Kommission ein. „Sie muss nun in anderen Archiven nach Unterlagen suchen“, sagt Bistumssprecher Volker Tenbohlen. Denn das eigene Archiv ist bei einem Bombenangriff im März 1945 verbrannt.

Die Kirche konnte das NS-Unrecht nicht verhindern, ist Hammerschmidt überzeugt. Die Beschäftigung in den Klostern hätte die Zwangsarbeiter vor einem einem schlimmeren Los bewahrt, lautet die offizielle Deutung. Für den Kirchenhistoriker Gerhard Besier von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ein „revisionistisches Argument“. „Da wird die Beschäftigung von Zwangsarbeitern uminterpretiert zur Schaffung eines Schutzraumes. Das finde ich erstaunlich.“ Die Kirche habe zu jeder Zeit die Möglichkeit gehabt, sich zu verweigern. „Im Interesse der Besitzstandswahrung hat sie das unterlassen.“

NICOLE MASCHLER

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