: Polizeipräsident Hagen Saberschinsky bleibt sitzen
Innensenator Werthebach (CDU) verlängert die Amtszeit des glücklosen Polizeichefs erneut um ein Jahr. Scharfe Kritik von PDS und Grünen. SPD stimmt Verlängerung zu: Mit dem neuen Vizepräsidenten stehe ein qualifizierter Nachfolger zur Verfügung, der aber noch Einarbeitungszeit brauche
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will die Amtszeit von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky noch einmal um ein Jahr verlängern. Ein entsprechendes Schreiben gehe Saberschinsky in den nächsten Tagen zu, bestätigte gestern die Sprecherin der Innenverwaltung, Isabelle Kalbitzer. Damit ist Saberschinsky seinem Wunsch, doch noch bis zum 65. Lebensjahr im Amt bleiben zu dürfen, wieder einen Schritt näher gekommen. Gegen den Widerstand des Koalitionspartners SPD hatte Werthebach seinem obersten Polizisten bereits im letzten Jahr eine zwölfmonatige Amtsverlängerung genehmigt. Eigens wurde hierfür die gesetzliche Grundlage geändert. Während PDS und Bündnisgrüne gestern die erneute Amtsverlängerung scharf kritisierten, stimmte die SPD diesmal zu.
Wie kaum ein anderer Berliner Polizeipräsident hatte Saberschinsky, der 1992 vom Bundeskriminalamt an die Spitze der Berliner Polizei wechselte, im Sommer in der öffentlichen Kritik gestanden. Sein Verhalten im Zusammenhang mit den Todesschüssen auf kurdische Demonstranten vor dem israelischen Generalkonsulat sowie in einer angeblichen Korruptionsaffäre im Landeskriminalamt hatten ihn jegliches öffentliche Ansehen gekostet. Auch innerhalb der Polizei ist der Präsident seit langem umstritten. Die tiefe Kluft, die heute zwischen Schutz- und Kriminalpolizei besteht, wird seinen Polarisierungskünsten zugeschrieben.
Saberschinskys Abberufung galt somit als sicher, zumal er kurz vor der Pension stand. Hinter den Kulissen wurde die Frage seiner Nachfolge bereits heftig diskutiert. Trotzig hatte Saberschinsky dennoch immer wieder erklärt: „Ich möchte mich mit 60 Jahren noch nicht zur Ruhe setzen“, und um eine Amtsverlängerung gepokert. Fünf Jahre wolle er noch machen, für weniger stehe er nicht zur Verfügung. Mangels personeller Alternativen gewährte ihm Werthebach schließlich ein Jahr. Saberschinsky griff zu – und degradierte sich damit zu einer Marionette des Innensenators.
Der innenpolitischen Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Wieland, sieht nun seinen Verdacht bestätigt: Die Einjahreslösung im vergangenen Jahr sei ein öffentliches Schaulaufen gewesen, weil ein längerer Zeitraum politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Intern, so Wieland, habe Werthebach vermutlich schon vor einem Jahr weitere Verlängerungen zugesichert. „Nun geht also alles weiter wie bisher. Die Mängel von Saberschinskys Amtsführung sind bekannt und werden verlängert.“ Marion Seelig von der PDS glaubt, dass Werthebach seinen „blassen Polizeipräsidenten behalten will, um selbst beliebig in die Polizei hineinregieren zu können“. Schließlich habe Saberschinsky seine „mangelnde Qualifikation hinreichend unter Beweis gestellt“.
Die SPD betonte gestern zwar erneut, dass sie Saberschinsky „sehr kritisch“ gegenüberstehe. Die Amtszeitverlängerung sei eine „pragmatische Löung“, so SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Mit dem neuen Vizepräsidenten Gerd Neubeck stehe ein qualifizierter Nachfolger bereit, der aber signalisiert habe, dass er noch etwas Zeit brauche, um sich einzuarbeiten. Stadtmüller: „Es muss aber tatsächlich das letzte Jahr sein.“
Innerhalb der Polizei hat Werthebachs Coup offenbar Ratlosigkeit ausgelöst. Jedenfalls sind die Reaktionen erstaunlich verhalten. Noch im letzten Jahr hatte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mehrfach gegen Saberschinsky ausgesprochen und erklärt, eine Amtsverlängerung könne allenfalls die „zweitbeste Lösung“ sein. Die notwendige Lösung des Führungsproblems in der Berliner Polizei werde durch Werthebach Entscheidung „nur um kurze Zeit verschoben“. Gestern begrüßte sie die nochmalige Verlängerung, „wenn damit ein Personalkonzept verbunden ist, das seine Nachfolge regelt“, wie sie vorsichtig hinzufügte. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält sich zurück. Die BDK-Landesvorsitzende Heike Rudat befürchtet zwar eine ähnlich langwierige Hängepartie wie bei der Besetzung der Stelle des Polizeivizepräsidenten. Doch auch sie will nur eine „eindeutige politische Aussage, wie es weiter geht“. Innensenator Werthebach ficht dies alles nicht an: „Ich halte Hagen Saberschinsky für einen ausgezeichneten Polizeipräsidenten.“ Dreimal kann er jetzt noch verlängern.
OTTO DIEDERICHS
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