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Auch Anti-Terror-Folter kann ein Asylgrund sein

Gericht präzisiert Rechtsprechung: Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung können „politische Verfolgung“ darstellen. Ein Tamile hatte geklagt

FREIBURG taz ■ Wenn Foltermethoden zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden, kann dies Asylansprüche begründen. Dies stellte das Bundesverwaltungsgericht gestern klar und hob damit eine abweichende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster auf. Geklagt hatte ein Tamile, der 1994 aus Sri Lanka geflohen war.

Der Mann machte geltend, dass er vor seiner Flucht zweimal mehrere Tage inhaftiert, dabei geschlagen und mit brennenden Zigaretten misshandelt worden war. Dies unterstellten die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte auch durchaus „als wahr“, lehnten sein Asylgesuch aber dennoch ab. Die Folter habe nämlich der „Terrorismusabwehr“ gegenüber der separatistischen Guerilla LTTE („Tamil Tigers“) gedient. Die OVG-Richter beriefen sich dabei auf ein früheres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach staatliche Aufklärungsmaßnahmen bei der Terrorismusbekämpfung nicht als „politische Verfolgung“ zu beurteilen sind.

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht nun präzisiert. Zwar seien zur Terrorismusabwehr auch Maßnahmen – wie etwa Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen – zulässig, die ohne konkrete Verdachtsmomente an der bloßen Volkszugehörigkeit anknüpfen. Diese Maßnahmen dürften aber nicht über das „erforderliche Maß“ hinausgehen. Insbesondere wenn ein Tamile gefoltert werden, nur weil er Tamile ist, spreche die Vermutung „in besonderem Maße“ dafür, dass hier politische Verfolgung vorliege.

Die Bundesrichter verwiesen den Fall nun an die Vorinstanz zurück. Das Münsteraner OVG müsse jetzt sorgfältig prüfen, ob es besondere Gründe gebe, wonach die Maßnahmen gegen den Kläger ausnahmsweise nicht als politische Verfolgung anzusehen seien. Die undifferenzierte Argumentation, die Praktiken seien in Sri Lanka üblich, reiche nicht zur Ablehnung des Asylantrags.

Unverändert gilt aber weiterhin, dass die Gefahr von Folter allein noch keinen Asylanspruch begründen kann. Hier kommt nur ein ausländerrechtlicher Abschiebeschutz in Betracht. Asylerheblich ist Folter nur, wenn sie zur „politischen Verfolgung“ eingesetzt wird. CHRISTIAN RATH

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